(Gerstenberg-Verlag 2009, 111 Seiten)
Frank Adam ist Belgier und im Schriftstellermetier zwar nicht neu, hat jedoch bisher noch kein Jugendbuch geschrieben. Nicht nur die Aufmachung des Buches in einem festen Pappeinband, der das Buch dicker erscheinen lässt, als es mit seinen 111 Seiten ist, sondern auch dessen ungewöhnlicher Titel fallen zumindest auf. Auf Niederländisch hat das Buch übrigens einen weniger gewagten Titel: „De passie van de Puber“ (was frei übersetzt so viel heißt wie: „Die Leidenschaft eines Pubertierenden“).
Josh ist mit seinen 16 Jahren gerade mitten in der Pubertät, und da passieren einige seltsame Dinge, von denen sein Schutzengel erzählt. Der Junge meint, dass er der neue Jesus sei – die 666. Reinkarnation. Nicht nur dass Josh neuerdings selbst bei winterlichen Temperaturen mit Sandalen herumläuft, auch sonst versucht er sich wie Jesus zu verhalten. Er kritisiert die Schlechtigkeit der Welt und will den Frieden fördern.
Wichtigstes Objekt seiner Kritik sind seine Eltern – insbesondere sein Vater, der eine Schreinerei führt und hauptsächlich davon lebt, dass er für die Kaserne, dem einzigen großen Arbeitgeber in dem Dorf, schreinert. Als Joshs Vater einen Auftrag über Särge für die bei Kriegseinsätzen ums Leben gekommenen Soldaten erhält, ist das natürlich ein gefundenes Fressen für den Sohn. Ein zweites großes Vorhaben von Josh ist es, seine kleine Schwester Judith vor den vielen anderen Kindern (darunter auch den eigenen Geschwistern) zu schützen, die diese ständig hänseln und mobben.
Doch der Schutzengel rät Josh zur Mäßigung und ist nicht so ganz einverstanden mit dessen Jesus-Mission. Und so beschließt Josh sich eher als vom Teufel besessener Jugendlicher auszugeben, damit ihm niemand auf die Schliche kommt.
Mit dem Etikett „Ein Buch mit einem ganz neuen und höchst originellen Ton“ ist Frank Adams erstes Jugendbuch von der Jury des belgischen Knokke-Heist-Preises als bestes Jugendbuch-Debut geadelt worden. Ja, und es stimmt: Das Buch ist mal etwas ganz anderes im Vergleich zu sonstigen Neuerscheinungen. Die Idee für das Buch ist Frank Adam übrigens, wie er auf seiner niederländischen Webseite schreibt, beim Lesen des Kindheitsevangeliums von Thomas gekommen, das auch einige Geschichten über destruktives Verhalten bei Jesus in dessen Kindheit enthält. Frank Adam hat eine dieser Geschichten als Vorlage genommen und sie in eine moderne Fassung gebracht.
„Die 666. Reinkarnation“ ist jedenfalls immer wieder witzig, das Buch erzählt gekonnt von den verstiegenen Gedanken eines Jugendlichen, der sich in eine Sache verrennt. Dass im Laufe des Buches einige unerwartete Dinge passieren, hält den Leser bei der Stange. Und dennoch: Irgendwie ist mir dieses Buch, insbesondere dessen Hauptperson Josh, zugleich auch ein wenig fremd geblieben. Für meinen Geschmack sind zu viele Winkelzüge in dem Jugendroman, so dass die Geschichte ein wenig aus dem Ruder läuft.
Fazit:
4 von 5 Punkten. Ganz so begeistert wie die Jury des Knokke-Heist-Preises bin ich von diesem Buch nicht. Zwar ist „Die 666. Reinkarnation“ wirklich mal was anderes – und zwar vom Schreibstil, aber auch von der Geschichte her –, und auch die Idee, Joshs Schutzengel, der übrigens nicht an Gott glaubt, alles erzählen zu lassen, gefällt mir. Doch manchmal übertreibt der Autor ein bisschen, so dass ich mich am Ende gefragt habe, was damit eigentlich ausgesagt werden soll.
Sicher, die Jahre der Pubertät werden in dem Buch auf die Schippe genommen. Die Frage nach dem Guten und Bösen wird gestellt bzw. es wird mit ihr gespielt – aber was hat das alles am Ende zu bedeuten?
„Die 666. Reinkarnation“ (Übersetzung: Rolf Erdorf) ist ein kurzweiliger Happen für Zwischendurch, der Spaß macht, aber zumindest mich nicht restlos begeistert hat. Ein bisschen hat mich das Pubertätsspiel darin an Meg Rosoffs „Was wäre wenn“ erinnert – ein Buch, das immerhin 2008 den Deutschen Jugendliteraturpreis bekommen hat. Aber auch mit Meg Rosoffs Buch habe ich mich ja eher schwer getan …
(Ulf Cronenberg, 06.02.2008)
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Lieber Ulf Cronenberg,
danke für die sehr zutreffende Rezension. Eine kleine Bemerkung allerdings zu dem niederländischen Titel „De passie van de Puber“: „passie“ heißt hier nicht nur Leidenschaft, sondern eben auch im durchaus christlichen Sinne „Passion“, das Leiden Christi oder das Leiden an sich. Und „de puber“ steht weniger für „einen“ Pubertierenden, sondern eher für „den“ Pubertierenden schlechthin.
Eine gute Übersetzung des Titels wäre vielleicht gewesen: „Passion Pubertät“. Aber Titel werden ja im Allgemeinen nicht übersetzt, sondern neu gefunden, was meist auch seine Richtigkeit hat.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Erdorf