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Buchbesprechung: Robert Habeck & Andrea Paluch “Sommergig”

Cover Habeck / PaluchLesealter 15+(Sauerländer-Verlag 2009, 159 Seiten)

Nach den ersten beiden Büchern des Ehepaares Robert Habeck und Andrea Paluch, die für mich zu den besten und verlässlichsten deutschen Jugendbuchautoren der letzten Jahre gehören, habe ich am Ende der Buchbesprechung jeweils geäußert, dass hoffentlich weitere Jugendromane der beiden folgen werden. Und das ist bisher immer auch eingetreten. Gut so … Mit „Sommergig“, einem Buch über eine Mädchenband, geht es nun in die dritte Runde, und ich bin mit hohen Erwartungen, mit viel Vorfreude und einiger Neugier ans Lesen gegangen.

Inhalt:

Tom hat einige Jahre mit seinem Vater in New York gelebt, bevor er wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist. An seinem ersten Schultag am Gymnasium schickt ihn der Direktor in Raum 2012, doch dort erwartet ihn seltsamerweise nicht eine Klasse, sondern etwas ganz anderes: Vier Mädchen machen Musik und sind erst etwas irritiert von dem Jungen, der ihnen zuhört, dann jedoch legen sie sich ins Zeug – und fortan ist Tom bei jeder der Proben dabei.

Doch dann gibt es einige Komplikationen: Nicht weil „Penny or Dime“, wie die Mädchenband heißt, zu einem internationalen Bandwettbewerb in Dänemark mit Aussicht auf einen Plattenvertrag für die beste Band eingeladen wird, sondern weil Tom sich in Penny, die Sängerin, verliebt. Doch diese „geht“ zurzeit mit Aikal, dem Bruder von Schlagzeugerin Ilayda.

Als Tom sich eines Nachts in den Proberaum von Penny or Dime schleicht und Penny im Dunkeln in den Raum kommt, um zu singen, erschrickt diese fürchterlich, als sie merkt, dass jemand im Raum ist, und schlägt Tom mit dem Mikrofon ein Feilchen. Aikal, eigentlich Toms bester Freund, bekommt am nächsten Tag Wind davon und rastet aus. Er schlägt Tom vor Penny zusammen. Doch genau das ist schließlich die Kehrtwende: Penny verachtet Aikal für die Gewalt, und eine Beziehung zwischen Tom und ihr scheint möglich … Auf der Fahrt der Band mit Tom nach Kopenhagen zu dem Wettbewerbsfestival wird jedoch alles wieder viel komplizierter als erwartet …

Bewertung:

Nach “Unter dem Gully liegt das Meer” haben sich Robert Habeck und Andrea Paluch wieder ein etwas unpolitischeres Hintergrundszenario für ihr Buch gesucht, auch wenn das Grundthema – die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens – geblieben ist. Ein bisschen Politik taucht natürlich auch in „Sommergig“ auf, wenn Tom in Dänemark einem irakischen Jugendlichen hilft, der nicht in den Irak zurückkehren will. Das Autorenduo bleibt seinen Themenkonstellationen also letztendlich treu …

„Sommergig“ ist vordergründig die Geschichte über eine Mädchenband, aber eigentlich noch viel mehr. Es geht darum, dass Jugendliche danach suchen, was sie aus ihrem Leben machen sollen, dabei Umwege gehen, Fehler begehen und versuchen, mit ihnen leben zu lernen. Immer wieder schrammt nicht nur Tom an seinen Sehnsüchten vorbei. Da will er Penny seine Liebe gestehen, stellt dann aber fest, dass aus seinem Mund andere Worte als die zurechtgelegten kommen. Und weil Penny in einem entscheidenden Moment nicht zu ihm steht, sondern ihn verleugnet, rächt er sich – ohne das selbst anfangs richtig zu bemerken – dadurch, dass er mit Britt schläft. Kompliziert ist das alles … Äußerlich hat Penny or Dime angesichts der Wettbewerbseinladung großen Erfolg, aber im Inneren beginnt es durch die persönlichen Differenzen zwischen den Mädchen und Tom zunehmend zu brodeln.

Gut erzählt ist das alles wieder – mit vielen sprachlichen Bildern und Vergleichen, die knapp am Rande des Übertriebenseins entlang hangeln. Reißt man die Gefühlsbeschreibungen aus dem Zusammenhang, so kommen sie einem zu gewagt vor, liest man sie jedoch im Buch, so sind sie stimmig und drücken sehr genau die Stimmung und Gefühle von Tom & Co. in den bewegten Sommerferienwochen aus. Die Metaphern und Vergleiche liefern damit das, was den Jugendlichen im Buch schwerfällt: die eigenen Gefühle ausdrücken und zu sich selbst stehen.

Am ehesten gelingt dies – allerdings nur über den Umweg der Songtexte – noch Penny. Fünf oder sechs Liedtexte, alle englischsprachig, findet man in dem Buch. Die Autoren spielen hier gekonnt mit einer neu entdeckten Leidenschaft von Andrea Paluch: dem Musikmachen. Denn sie hat sich mit zwei Freundinnen (sowie einem Schlagzeuger) zusammengetan und die Lieder aufgenommen. Anhören, ja zum Teil sogar in Videos ansehen kann man sich das alles auf der Penny-or-dime-Website. Die Idee ist gut, ich nehme auch an, dass die „wirklichen“ Penny or Dime Spaß am Musikmachen hatten – aber für meinen Geschmack sind die Songs leider auch etwas zu brav für die Gefühlswelt des Buches. Zu dem Buch hätten richtig dreckige Gitarren gepasst: verzerrt, kreischend, ein Gesang, der noch mehr an die Grenzen geht, sowie ein wummernder Bass. Schade, aber vielleicht auch gut so … Am Ende hätte sich Andrea Paluch sonst vom Schreiben abgewandt, um nur noch Musik zu machen.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Schnell hatte ich Robert Habecks und Andrea Paluchs neues Buch auch diesmal ausgelesen. Ist man in der Geschichte einmal angekommen, so lässt sie einen nicht mehr los, und „Sommergig“ trifft sicherlich das Lebensgefühl vieler 15- bis 18-Jähriger.

Auch das neue Buch von Robert Habeck und Andrea Paluch hat die 5 Punkte verdient, wenn auch vielleicht nicht so deutlich wie „Unter dem Gully liegt das Meer“ und „Zwei Wege in den Sommer„. Die Vorgängerbücher waren noch ein wenig besser: vor allem kompromissloser und dichter.

Für die eher spärlich besetzte Landschaft deutscher Jugendbuchautor(inn)en sind die beiden Autoren jedenfalls ein Glücksfall. Gut, dass es sie gibt! Doch hoffentlich unterliegen sie in ihren nächsten Büchern nicht der Gefahr, sich selbst ständig zu zitieren. Die Lebensgefühle von Tom, Penny und allen anderen kommen einem jedenfalls im Maßen, auch wenn die Handlung eine neue ist, bekannt vor, sofern man schon die ersten beiden Bücher des Autorenduos gelesen hat.

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(Ulf Cronenberg, 01.02.2009)


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