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Buchbesprechung: Do van Ranst “Rabenhaar”

Cover van RanstLesealter 12+(Carlsen-Verlag 2008, 127 Seiten)

„Rabenhaar“ – was für ein Titel. Irgendwie stellt man sich darunter ein Märchen vor, und das Buchcover mit dem etwas naiv gemalten Bild unterstreicht diesen Eindruck noch. Doch was der der Belgier Do van Ranst da geschrieben hat, ist kein Märchen, sondern eine Geschichte über das Ende der Kindheit, die in der Gegenwart spielt. Und Rabenhaar wird eines der Mädchen in dem Buch genannt: ein Mädchen mit marokkanischen Eltern – was in dem Kinderbuch durchaus eine Bedeutung hat …

Inhalt:

Schon seit langer Zeit treffen sich die acht Freunde (vier Mädchen und vier Jungen) in der alten Scheune von Victors Familie und immer denken sie sich dabei verrückte Sachen aus. Mal tun sie so, als wäre die Scheune ein großes Einkaufszentrum, in dem es verschiedene Läden gibt, dann wieder bauen sie etwas aus Kisten. Doch ihre bisher mutigste Idee war es, einen gemeinsamen Film zu drehen … Ausgerechnet das hatte jedoch ein schlimmes Ende genommen.

Alle acht Kinder wissen, dass die Zeit der Scheunenspiele bald vorbei ist. Sie werden größer, kommen in die Oberschule und sind bald zu alt für solche Sachen. Und genau deswegen beschließen sie zum Abschluss noch einmal etwas ganz Großes auf die Beine zu stellen. Die Idee ist bald gefunden: Sie wollen eine Hochzeit feiern, und nach einigen Beratschlagungen sind auch die Eheleute bestimmt: Rabenhaar, ein Mädchen marokkanischer Herkunft, das eigentlich Fatima heißt und wegen ihrer schwarzen Haare schon länger nur noch bei ihrem Spitznamen genannt wird, soll die Braut sein, während Bram, der in Rabenhaar verliebt ist, den Bräutigam spielen soll.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Es müssen ein Brautkleid sowie ein Anzug für die Brautleute organisiert und die Feier muss geplant werden. Die vier Mädchen und Jungen sind ganz aufgeregt – unter anderem auch, weil ihnen noch die Angst vom Filmdrehen im Nacken sitzt, das Rabenhaars Vater so plötzlich beendet hatte.

Bewertung:

„Rabenhaar“ ist eindeutig ein Kinderbuch, jedoch eines, das auch Erwachsene mögen werden. Do van Ranst erzählt die Geschichte in einem sehr intensiven und einfühlsamen Ton, und man kann sich von diesem Buch, das so kunstvoll aufgebaut ist, gar nicht losreißen. Bram berichtet in dem Buch als zurückhaltender Erzähler nicht nur von der Planung der Hochzeit, sondern im Rückblick auch von einigen früheren Spielen der acht Freunde. Vor allem das für alle schockierende Ereignis, bei dem Rabenhaars Vater das Filmdrehen so vehement gestoppt hat, wird Stück für Stück erzählt. Sehr geschickt ist das von Do van Ranst gemacht: Die Vergangenheit und die Gegenwart werden abwechselnd in Kapiteln erzählt und dadurch miteinander verschränkt. Und auf beiden Ebenen ist man als Leser neugierig, was passiert ist bzw. passieren wird.

Do van Ransts Kinderbuch ist jedoch auch auf einer weiteren Ebene interessant, denn es thematisiert auch kulturelle Unterschiede. Rabenhaar berichtet viel von ihrer marokkanischen Familie, die in vielem so anders ist als die der anderen Kinder. Es geht dabei vor allem um das Verheiratetwerden. Für die Freunde von Rabenhaar ist es unverständlich, dass in Rabenhaars Familie der Vater die Männer für ihre Schwestern ausgesucht und bestimmt hat sowie dass sie schon mit 15 Jahren verheiratet wurden. Auch hier wird man sehr behutsam und kindgemäß an die Themen Verliebtsein, Liebe und Heirat herangeführt …

Das Besondere an Do van Ransts Buch ist dessen behutsamer und eindrücklicher Tonfall, der so gut zu dem Zwischenzustand aus noch Kindsein und bald Erwachsenwerden passt und ihn sehr genau einfängt. Man kann nur immer wieder staunen, mit welcher Leichtigkeit der belgische Autor (Übersetzung: Andrea Kluitmann, illustrierende Vignetten: Eva Schöffmann) all die Fragen und Themen, die in dem Buch auftauchen, behandelt.

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Rabenhaar“ ist ein ganz besonderes Buch, das man zwar sicher nur Kindern in einem ganz bestimmten Altersabschnitt zum Lesen geben kann, dann aber ohne irgendwelche Bedenken. „Ab 12 Jahren“ lautet die vorsichtige Empfehlung des Carlsen-Verlags, und dem schließe ich mich im Großen und Ganzen an, auch wenn ich glaube, dass es durchaus Kinder gibt, die das Buch schon früher lesen bzw. vorgelesen bekommen könnten. Mit spätestens 14 Jahren dürfte dann aber das Zeitfenster schon wieder geschlossen sein …

Mit „Rabenhaar“ hat Do van Ranst ein Kinderbuch geschrieben, dass das Thema Verliebtsein im Kindesalter auf sehr einfühlsame Weise behandelt. Die Gefühle werden sehr genau beschrieben, als hätte der Autor in die Köpfe von Kindern schauen können. Dass dabei das Thema auch sorgsam auf Verliebtsein und Heirat in islamischen Ländern gelenkt wird – und zwar ohne irgendwelche Vorurteile zu provozieren –, ist dem Buch besonders zugute zu halten. „Raabenhaar“ zählt (neben „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ von Andreas Steinhöfel und „Wie man unsterblich wird“ von Sally Nicholls) zu den besten Kinderbüchern, die ich in diesem Jahr gelesen habe.

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(Ulf Cronenberg, 11.12.2008)


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