(Carlsen-Verlag 2008, 862 Seiten)
Über 800 Seiten müssen erst mal gelesen werden … – und es gibt Bücher, die so spannend sind, dass sie es einem leicht machen, während andere einem das Gefühl geben, man kaue an einem zähen Kaugummi.
Die Amerikanerin Stephenie Meyer steht bei Jugendlichen, vor allem Mädchen, derzeit hoch im Kurs. Mit ihren Bis(s)-Romanen, einer Mischung aus Vampir- und Liebesgeschichte, hat sie jedenfalls großen Erfolg. Gelesen habe ich bisher jedoch keines dieser Bücher. Dafür habe ich mir jetzt Stephenie Meyers „Seelen“, ein Buch, das nicht zur Bis(s)-Reihe gehört, vorgenommen.
Inhalt:
Die Erde wird von Lebewesen eines fremden Planeten besetzt, die sich „Seelen“ nennen, sich in den Menschen einnisten und die Kontrolle über sie übernehmen. Durch eine Operation, bei der am Hals eine kleine Narbe zurückbleibt, werden die Seelen in den Menschen eingesetzt – man erkennt von Seelen „besetzte“ Menschen neben der Narbe am Nacken auch an dem silbrigen Ausdruck in ihren Augen. Doch was grausam klingt, ist eigentlich zum Besten der Menschen, denn die Seelen sind friedfertige Lebewesen – und seit sie die Menschen in Schach halten, gibt es auf der Welt kaum noch Streit und Krieg. Einer kleinen Gruppe von Menschen ist es bisher jedoch gelungen, sich den Seelen zu entziehen. Diese Menschengruppe kämpft darum, nicht vollständig von den Seelen übernommen zu werden.
Melanie hat es bis dato geschafft, nicht von den Seelen gefangen genommen zu werden, doch eines Tages wird sie von Seelen-Suchern verfolgt. Als sie erkennt, dass eine Flucht unmöglich ist, versucht sie sich umzubringen, indem sie sich einen Aufzugschacht hinunterstürzt. Die Seelen jedoch retten ihr Leben und setzen ihr eine erfahrene weibliche Seele, die sich selbst Wanderer nennt und schon auf sieben verschiedenen Planeten in Wirten gelebt hat, ein. Doch Melanie scheint nicht tot zu sein. Sie kämpft in ihrem Körper gegen den Wanderer, dem es zunehmend misslingt, die Kontrolle zu behalten.
Melanie will unbedingt zu ihrem kleinen Bruder Jamie sowie ihrem Lebensgefährten Jared zurückfinden, doch die Seele widersetzt sich dem lange. Indem Melanie mit der Seele jedoch ihre Liebeserinnerungen an die beiden teilt, bricht sie langsam den Widerstand der Seele – und so macht sich der Wanderer schließlich auf den Weg, die beiden zu finden. Doch die Suche in der Wüste, wo Melanie die beiden vermutet, ist beschwerlich. Kurz vor dem Verhungern in der Wüste wird sie von einem Menschen aufgegriffen und findet so schließlich eine menschliche Gemeinschaft, die in einem Höhlensystem lebt. Und tatsächlich: Darunter sind auch Jared und Jamie.
Doch es gibt Schwierigkeiten: Zum einen wird der Wanderer von einer Seelen-Sucherin verfolgt, zum anderen nehmen die Menschen den Wanderer misstrauisch auf, gehört sie als Seele doch zum Feind. Die Menschen überlegen, ob sie nicht versuchen sollen, die Seele aus Melanies Körper zu entfernen – ein Eingriff, den jedoch bisher niemand überlebt hat.
Bewertung:
Mit keiner besonderen Erwartung bin ich an Stephenie Meyers dicken Schmöker herangegangen, aber insgesamt positiv davon überrascht worden. „Seelen“ (Übersetzung: Katharina Diestelmeier) ist eine Mischung aus Fantasy und Science-Fiction, die ein besonderes Flair verbreitet. Dass außerirdische Seelen von den Menschen Besitz nehmen, um zum einen selbst zu überleben, zum anderen aber auch das Volk der Menschen, das sich gegenseitig bekriegt und rachsüchtig ist, zu befrieden, ist eine interessante Idee.
Gefallen hat mir vor allem, wie Melanie und Wanda (wie der Wanderer später von den Menschen genannt wird) zu einer Person werden und welche Folgen das hat. Wanda hat zwar die Oberhand im Körper Melanies, aber der Geist Melanies ringt mit der neuen Besitzerin ihres Körpers. Wie die beiden in Melanies Körper miteinander kommunizieren – zuerst voller Misstrauen, dann zunehmend einvernehmlich –, ist spannend zu lesen und wirklich faszinierend beschrieben: auf der einen Seite Wanda als mitfühlende Seele, die jedoch merkt, dass ihr die anderen Menschen misstrauisch begegnen, ja sie sogar anfangs töten wollen, auf der anderen Seite Melanie, die nie aufsteckt und bereit ist, ihre Interessen auch kämpferisch zu verfolgen.
Das Buch lebt ganz besonders von seinen Figuren – neben Melanie und Wanda sind vor allem Jeb, der die Menschen in der Höhle anführt, und natürlich Jared und Jamie zu nennen. (Ist es Zufall, dass die Namen aller drei Figuren mit „J“ beginnen?) Auch sonst kann man die Geschichte fast durchgängig als packend bezeichnen – lediglich in der Mitte des Buches hat Stephenie Meyers Roman einen kleinen Hänger, wenn etwas zu lange der Stimmungsumschwung unter den Menschen Wanda gegenüber beschrieben wird. Vielleicht hätten es auch 600 Seiten getan …
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. „Seelen“ ist ein Buch, das vor allem Mädchen ab 14 Jahren gefallen dürfte. Neben der Spannung in der Handlung, die jedoch in der Mitte des Buches etwas abflaut, sind es vor allem die psychologischen Momente, die das Buch zu etwas Besonderem machen. Und hier zeigt Stephenie Meyer, dass sie es meisterhaft versteht, die Beweggründe, Gefühle und Winkelzüge ihrer Figuren sehr genau zu beschreiben und auszuloten. Stephenie Meyer ist eine gute Erzählerin, die jedoch die Stimmungen und Gefühle in Menschen deutlich besser in Worte fassen kann als die Beschreibung der Umgebung, in der das Buch spielt. Das Höhlensystem z. B., in dem die Menschen leben, ist mir immer ein bisschen unvorstellbar geblieben.
Die Geschichte um Wanda und Melanie ist ein dicker Schmöker – wie geschaffen für graue und regnerische Herbsttage, an denen Lesen auf einem Sofa oder im Bett das Einzige ist, was man sinnvollerweise tun kann. Dass man nebenbei beim Lesen des Buches dazu angehalten wird, immer wieder auch über die menschliche Identität nachzudenken, zeichnet dieses Buch aus. Die Grundaussage, die dahinter steht, ist klar, wird aber nicht zu massiv vorgetragen: Man sollte sich um seine Mitmenschen kümmern und nach friedlichen Lösungen suchen. Fast eine weihnachtliche Botschaft, könnte man sagen. Und die war von der bekennenden Mormonin Stephenie Meyer letztendlich ja auch zu erwarten.
(Ulf Cronenberg, 07.12.2008)
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Das Buch ist einfach fantastisch, die Story ist gut, und es ist echt toll geschrieben. „Seelen“ gehört zu meinen Lieblingsbüchern … 😛
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„Seelen“ ist ein unglaublich gutes Buch. Es ist sehr tiefgründig und ohne etwas Kitschiges geschrieben. Wer nicht eifersüchtig ist und das Buch verstanden hat, kann die Geschichte nur lieben. Ich finde es immer schade,dass viele Leute Vorurteile gegen Stephenie Meyer haben. Oder viele sind auch wegen ihres Erfolges unglaublich eifersuechtig. (Man darf Filme und Bücher nicht vergleichen wie bei „Twilight“). Es stimmt überhaupt nicht, dass ihre Bücher für Teenager sind. Ich habe schon sehr viele Bücher gelesen und noch nie eine Geschichte, bei der die Figuren derart lebendig sind. Die Geschichte entwickelt sich durch die Entscheidungen ihrer Figuren, und Stephenie Meyer selber sagt, dass sie weiß, wenn ihre Figur sich weigert, das zu tun, was sie mit ihr vorhatte, wirklich lebendig ist. Es soll mehrere Figuren in „Seelen“ gegeben haben, die sie überrumpelt haben. Deshalb gibt es in „Seelen“ keine unlogischen Stellen und die Geschichte wird dadurch umso realer. Außerdem finde ich es auch sehr eindrucksvoll, wie sie die Gefühle beschreiben kann. So dass man alles mitfühlt und die Personen lieben muss, die Protagonistin liebt. Eigentlich bin ich gar kein Science-Fiction-Fan, aber das Buch lohnt sich! Der Film kommt! Vorurteile und Hass machen alles kaputt!