(dtv 2008, 431 Seiten)
Louise Spiegler ist Amerikanerin, lebt in Seattle (Washington) und hat mit „Purpurfeuer“ (die Übersetzung stammt von Heike Brandt) ihren ersten Roman geschrieben. Als Menschenrechtsaktivistin setzt sie sich schon seit längerem für die Rechte der Sinti und Roma ein – und genau davon handelt auch das Buch. Im Klappentext heißt es so schön, dass „Purpurfeuer“ von Louise Spiegler größtenteils unterwegs, an Lagerfeuern in den Bergen oder auf dem Rücksitz ihres Autos verfasst wurde.
Inhalt:
Die 16-jährige Serena lebt mit ihrer Schwester Weide und deren kleiner Tochter Zara alleine in einer Wohnung, die im Armenviertel einer Stadt liegt. In dem Viertel wohnen verschiedene Volksgruppen, die sich jedoch gegenseitig feindselig gegenüber stehen. Da sind vor allem die dunkelhäutigen Julang sowie die hellhäutigeren Gordsche. Während die Erstgenannten eher arm sind, bestimmen die Gordsche über fast alles und sind wohlhabend. Serena und ihre Schwester gehören nicht so richtig zu einer der beiden Volksgruppen, da ihr Vater Gordscher war, ihre Mutter dagegen Julang ist. Zudem wurde Weide – und mit ihr auch Serena als Angehörige – wegen ihres unehelichen Kinds von den Julang als ma’hane (unrein) geächtet.
Serena und Weide haben eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Ihr Vater ist tot und die Mutter vor einigen Jahren nach dem Tod ihres Mannes spurlos verschwunden. Zwischendrin waren Serena und Weide bei ihrer Großmutter untergebracht, doch sind schließlich wieder in die Wohnung ihrer Eltern gezogen, weil sie mit der Großmutter nicht zurechtgekommen waren. Doch auch seit die Drei alleine leben, haben sie so ihre Schwierigkeiten. Weide kümmert sich nicht ausreichend um ihre Tochter, hängt zu viel mit Jungen herum, während Serena das auszugleichen versucht, was nicht immer leicht ist, da sie als Schülerin ein Lyzeum besucht. Trotz Serenas Bemühungen steht eines Tages eine Sozialpädagogin mit einem Vollstrecker vor der Tür, um Weide die kleine Zara wegzunehmen und das Kind in staatliche Obhut zu geben.
Als Serena sich auch tätlich gegen den Vollstrecker wehrt, passiert etwas Schlimmes. Der Mann kommt aus dem Gleichgewicht und fällt die Treppe hinunter. Dort bleibt er reglos liegen. Serena weiß nicht, ob der Vollstrecker nur bewusstlos oder gar tot ist – doch sie fürchtet das Schlimmste. In ihrer Ratlosigkeit, für den Tod des Mannes verantwortlich gemacht zu werden, flüchtet sie und kommt schließlich mit Hilfe eines Jungen aus der Stadt …
Bewertung:
Von Louise Spieglers Jugendbuch „Purpurfeuer“ war ich schon nach einigen Seiten recht angetan – und während sich die anfängliche Begeisterung bei einigen Büchern dann irgendwann wieder legt, hat sie bei diesem Buch bis zum Ende gehalten. Und das hat verschiedene Gründe:
Zum einen war es die Geschichte, die mich fasziniert hat. Es dauert zwar etwas, bis man sich in die Welt von Serena eingefunden hat, aber dann ist man darin auch so richtig angekommen. „Purpurfeuer“ ist nicht nur die Geschichte eines Mädchens, das sich aus dem Spinnennetz seiner Herkunft befreien möchte, sondern noch viel mehr: letztendlich ein engagiertes Buch gegen die Unterdrückung von Menschen. Ja, es enthält sogar eine leise, aber umso bemerkenswertere Liebesgeschichte.
Zum anderen fand ich den Schreibstil von Louise Spiegler sehr gelungen. Die Geschichte wird unaufdringlich und linear von vorne bis hinten erzählt, ohne trotzdem langweilig zu werden. Dafür verantwortlich ist, dass die Autorin sehr einfühlsam die Figuren des Buches beschreibt. Vor allem Serena, aber auch ihr Freund Schem und viele andere der vorkommenden Personen werden liebevoll und nachvollziehbar geschildert. Louise Spiegler gelingt das u. a. auch, indem sie die Gefühle der Personen mit unaufdringlichen, aber genauen sprachlichen Bildern festhält.
Etwas komisch (aber das meine ich nicht negativ) fand ich in „Purpurfeuer“, dass man nichts Genaues über die Menschen und Gegend erfährt, in der das Buch spielt. Die Städte Istia und Eurus habe ich jedenfalls in Google Earth nicht finden können, und auch die Gordschen und die Julang lassen sich keinen realen Volksgruppen zuordnen.
Fazit:
5 von 5 Punkten. „Purpurfeuer“ ist alles in allem ein sehr eindrückliches Buch, das weniger durch seine formale Gewagtheit (denn die gibt es nicht), als durch seine Ehrlichkeit besticht. Man wird als Leser förmlich in die Geschichte hineingezogen und erlebt beim Lesen eine Welt, die einem selbst fremd ist, die man während des Lesens jedoch zunehmend besser erahnen kann.
Darüber hinaus hat Louise Spiegler das Herz auf dem richtigen Fleck – auch das schimmert in dem Buch durch. Serena verzweifelt zwar immer wieder an den widrigen Umständen in ihrem Leben, gibt aber dennoch nicht auf und ist somit ein ganz besonderes Vorbild, das jedoch niemals überzeichnet und überhöht wirkt.
(Ulf Cronenberg, 04.11.2008)
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Eben erst lese ich die Rezension zu dem von mir übersetzten Buch, die mir gut gefällt, weil ich das beim ersten Lesen des Buches auch so empfunden habe. Trotzdem eine Anmerkung: Der Schreibstil, den Ulf Cronenberg so bewundert, ist allerdings meiner und nicht der von Louise Spiegler – jedenfalls in der deutschsprachigen Ausgabe. Ich habe die fiktiven Orte und Namen so ins Deutsche übersetzt, dass sie in unserer Sprache etwa so klingen wie im Englischen bzw. sprechende Namen übersetzt – wobei ich Gordscho an Gadscho angelehnt habe, den Roma Ausdruck für Nicht-Roma.