(Loewe-Verlag 2008, 199 Seiten)
„Bewegliche Ziele“ – das klingt nach einem Krimi oder Thriller für Jugendliche. Doch so ganz stimmt das nicht. Bei dem Buch handelt es sich eher um einen Roman über die Probleme von Jugendlichen in der Zeit des Erwachsenwerdens.
Agnes Hammer ist Lehrerin an einer Schule für sozial benachteiligte Jugendliche und lebt in Düsseldorf. „Bewegliche Ziele“ ist anscheinend ihr erstes Buch – obwohl im Klappentext steht, dass die Autorin, seit sie acht Jahre alt ist, Geschichten schreibt.
Momo, Jenny, Sarah und Ticker – drei Mädchen und ein Junge – stehen alle kurz vor ihrem Schulabschluss und kennen sich zumindest flüchtig. Während Momo sich in der Schule schwer tut, ist sie als Hochleistungsschwimmerin sehr erfolgreich und steht kurz davor, sich an die deutsche Spitze zu schwimmen. Jenny dagegen ist etwas pummelig und weiß nicht so recht, was sie nach ihrem Schulabschluss machen soll. Am liebsten würde sie eine weiterführende Künstlerschule besuchen, doch ihr autoritärer und konservativer Vater ist strikt dagegen. Sarah denkt dagegen darüber nach, ob sie Abitur machen soll, ist sich aber nicht sicher, ob sie das schaffen würde. Und Ticker schließlich hält es zu Hause nicht mehr aus und zieht bei Ette ein, der mit Drogen handelt, um über die Runden zu kommen. Ticker orientiert sich mehr und mehr an Ette und beginnt selbst auf die schiefe Bahn zu kommen.
Alle Vier begegnen sich auf einer Party bei Ette. Sarah verliebt sich in Ticker, während Ette irgendwie von Momo und ihrem vom Schwimmen gestählten Willen fasziniert ist. Jedoch zeigt Momo ihm nur die kalte Schulter, was Ette wiederum ziemlich trifft, ohne dass er es sich wirklich eingesteht. Jenny dagegen wird wegen ihrer Figur von den anderen eher gemieden – und entsprechend wertlos fühlt sie sich auch.
Als Momo bei einer anderen Party Ette wieder abblitzen lässt, verfolgt dieser sie mit Ticker. Momo rennt weg, doch sie kann die beiden nicht abschütteln. Und dann passiert etwas Schlimmes, denn Ette und Ticker sind ziemlich mit Drogen und Alkohol zugedröhnt …
Agnes Hammers Buch hat mich – ehrlich gesagt – überrascht. Schon die ersten Zeilen haben mich für dieses Buch eingenommen, weil sie sprachlich sehr ausdrucksstark die Empfindungen von Momo beim Schwimmen beschreiben. Und auch wenn diese sprachliche Präsenz zwischendrin im Buch ab und zu ein wenig verschwindet, so taucht sie doch immer wieder auf.
„Bewegliche Ziele“ wird aus der Perspektive von fünf Jugendlichen erzählt, die sich dabei immer abwechseln. Die Situationsschnipsel, die manchmal nur eine halbe Seite lang sind, ab und zu aber auch über drei Seiten gehen, sind gekonnt aneinander gefügt, so dass sie trotzdem eine abgerundete Geschichte ergeben. Es sind immer besondere Situationen, Stimmungen und Gefühle der Hauptpersonen, die in einer solcher Episode beschrieben werden.
Dem Thema Vergewaltigung – denn darum geht es – nähert sich Agnes Hammer recht einfühlsam. Die Vergewaltigungsszene in dem Buch wird nicht detailliert beschrieben, sondern eher behutsam angedeutet. Und wie Momo darüber hinwegzukommen versucht, macht im Wesentlichen den zweiten Teil des Buches aus, ohne dass die anderen Figuren aus dem Blick verloren werden. Hier hat mich vielleicht nur eine Kleinigkeit gestört: dass Ticker und Ette etwas zu plakativ beschrieben sind.
Fazit:
4 von 5 Punkten. Agnes Hammer hat mit ihrem ersten Buch einen interessanten Roman geschrieben, der noch nicht das Ende der Fahnenstange darstellt, aber doch kurzweilig, einfühlsam und dennoch anschaulich das Thema Vergewaltigung aufgreift. Am Anfang dauert es etwas, bis man die Figuren und ihre Lebenssituationen auseinanderhalten kann – doch nach 50 Seiten weiß man als Leser die Personen zuzuordnen.
„Bewegliche Ziele“ ist noch nicht der ganz große Wurf, aber doch ein guter Anfang für eine neue Autorin. Das Buch ist geschickt aufgebaut, liest sich angenehm und ist sprachlich meist raffiniert geschrieben. Insgesamt ein kurzweiliges Buch über ein schwieriges Thema …
(Ulf Cronenberg, 27.09.2008)
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