(Kiepenheuer & Witsch 2008, 285 Seiten)
„Graffiti My Soul“ ist Niven Govindens zweites Buch – ein Jugendbuch, das es in sich hat und einen ziemlich eindrücklichen Blick auf das Jugendalter wirft. Es geht ganz schön zur Sache. Aber ich will nicht hier schon alles vorwegnehmen …
Über den Autor erfährt man nicht allzu viel: Außer dass er in East Sussex (England) aufgewachsen ist, Film studiert hat und außerdem Bücher schreibt. Und schließlich: dass der Autor noch recht jung ist – nämlich 1973 geboren wurde.
Veerapen (fragt mich nicht, wie der Name ausgesprochen wird) ist halb tamilischer, halb jüdischer Abstammung und lebt mit seiner Mutter in Surrey, nachdem sein Vater mit einer anderen Frau durchgebrannt ist. Mit seinen 15 Jahren steht er mittendrin in der schwierigen Lebensphase kurz vor dem Erwachsenwerden. Und Veerapen hat ziemlich an dem Tod seiner Freundin Moon zu knabbern, die erst kürzlich auf tragische Weise ums Leben gekommen ist.
Wie Moon gestorben ist, erfährt man erst am Ende des Buches … Vorher gibt es immer nur Andeutungen darüber: dass Veerapen etwas damit zu tun hatte und deswegen nicht darüber hinwegkommt. In vielen Rückblenden erzählt Veerapen, welche schwierige Beziehung er zu Moon hatte und was sonst noch alles in seinem Leben passiert.
Die Rückblenden, die nicht eingeleitet werden – der Erzähler springt fleißig zwischen den verschiedenen Zeiten hin und her –, machen „Graffiti My Soul“ zur nicht ganz einfachen Lektüre. Aber zugleich macht dieser nicht lineare Schreibstil auch den Reiz dieses Romans aus.
Wie in dem Buch die Jugendphase beschrieben wird, ist ziemlich heftig. Veerapen und sein Freund Jason z. B. haben ein etwas seltsames Hobby, mit dem sie Druck abzulassen scheinen: Sie schlagen mit Schutzmaske nachts Leute auf der Straße zusammen und fotografieren ihre Opfer mit dem Handy. Die Lebenswelt von Veerapen scheint überhaupt voll von Gewalt zu sein. Die Jugendlichen versuchen sich gegenseitig unter Druck zu setzen, indem mit den Handys Fotos von anderen in kompromittierenden Situationen gemacht werden – so kann man immer einen anderen ausspielen und ihn erpressen.
Auch die Beziehungen in „Graffiti My Soul“ sind verquer. Was Veerapen und Moon da eigentlich für eine Art von Beziehung laufen haben, bleibt undurchsichtig – für den Leser wie für die Betroffenen. Jedenfalls hat Moon dann irgendwann einen anderen Freund – ausgerechnet Veerapens Erzfeind Pearson –, und Veerapen und Moon schenken sich fortan überhaupt nichts. Ständig versucht der eine den anderen zu verletzen.
Die Welt von Veerapen und seinen Freunden ist wenig liebevoll, ständig wird man bedroht, schlägt andere zusammen … und kommt letztendlich damit überhaupt nicht zurecht. Veerapen, der oft großkotzig tut, ist auf einer anderen Ebene äußerst verletzlich – das schimmert durch all die Gewalt und Beziehungsneurosen doch auch immer wieder durch und versöhnt einem zugleich auch wieder mit der Hauptperson. Das Buch hat außerdem noch weitere Ebenen: Veerapen ist ein begnadeter Läufer – doch selbst hier ist vieles schwierig, weil Veerapens Trainer öffentlich Kindesmissbrauch zur Last gelegt wird.
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. „Graffiti My Soul“ ist ein ziemlich heftiges und schwieriges Buch. Wenn so die Jugendzeit aussieht, dann kann man fast nur Schiffbruch erleiden. Was Veerapen und alle anderen Personen in dem Buch mitmachen, ist jedenfalls schlimm. Das Leben als nicht enden wollender Horror.
Mal davon abgesehen, wie schlimm die Verhältnisse in dem Buch sind, muss man Niven Govinden zugutehalten, dass er ein literarisch interessantes und gutes Buch geschrieben hat. Die Sprache passt zu dem Inhalt, sie ist sehr direkt, und das Verweben der verschiedenen Zeitebenen ist dem Autor mehr als gut gelungen.
So ist „Graffiti My Soul“ alles in allem ein gutes Buch, das jedoch einiges Unbehagen beim Leser zurückzulassen vermag. Ob man in diese schwierige Lebenswelt abtauchen will, muss jeder selbst für sich entscheiden …
(Ulf Cronenberg, 27.09.2008)
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