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Buchbesprechung: Güner Yasemin Balci "Arabboy"

Cover BalciLesealter 16+(S. Fischer-Verlag 2008, 286 Seiten)

Auch „Arabboy“ von Güner Yasemin Balci ist keine typisches Jugendbuch – genauso wie schon das letzte hier besprochene Buch: „Slam“ von Nick Hornby. Doch wenn sich Jugendbücher auch dadurch definieren lassen, dass Jugendliche darin eine Hauptrolle spielen, so kann „Arabboy“ durchaus als Jugendroman gelten.

Allerdings – das sei vorweg gesagt – ist Güner Balcis Buch ziemlich heftig. Deswegen würde ich es auch erst Jugendlichen ab 16 Jahren empfehlen. Und selbst für Erwachsene heißt es, einiges durchzustehen …

In ihrem Vorwort schreibt die türkisch-stämmige Autorin, dass sie in Berlin mehrere Jahre in Neukölln (Berlin) ein Projekt zur Gewalt- und Kriminalitätsprävention für türkische und arabische Jugendliche betreut hat, bevor sie dieser schwierigen Arbeit den Rücken zugekehrt hat. Heute arbeitet Güner Balci als Journalistin. Das Buch selbst entstammt ihren Erfahrungen aus der früheren Arbeit und berichtet in Romanform über das Leben eines arabischen Jugendlichen – jedoch wurden viele Dinge so abgeändert, dass die Figuren, die für das Buch Pate standen, nicht identifiziert werden können.

Inhalt:

Das Buch handelt von Rashid, einem noch nicht ganz volljährigen Jungen mit Eltern aus dem Libanon, der sich in Intenet-Chaträumen selbst „Arabboy“ nennt. Schon in jüngeren Jahren auffällig kommt Rashid immer häufiger mit dem Gesetz in Konflikt. Er ist gewalttätig, dreht krumme Dinger und erarbeitet sich dadurch in der Ausländer-Szene Neuköllns nach und nach einen Ruf. Er ist anerkannt und wird schließlich sogar von Aabid, einem Bordellbesitzer, der die Szene kontrolliert, protegiert. Rashid übernimmt Botengänge für ihn, kümmert sich ums Eintreiben von Geld und „betreut“ eines von Aabids Bordellen.

Doch Rashid kommt immer mehr vom Weg ab. Sein Niedergang beginnt, als er drogensüchtig wird und Tilidin, einem Schmerzmittel, verfällt. Rashid wird immer unzuverlässiger und bekommt so schließlich auch Stress mit Aabid, der ihn vor die Tür setzt. Außerdem macht er immer mehr Einbrüche, um seinen Drogensucht finanzieren zu können und wird schließlich von der Polizei gefasst und in Untersuchungshaft gesteckt. Ihm droht die Abschiebung in die Türkei …

Bewertung:

„Arabboy“ ist ein sehr heftiges Buch, beim Lesen lief es mir immer wieder eiskalt den Rücken herunter, denn Güner Balci nimmt kein Blatt vor den Mund. Das kriminelle Milieu in Neukölln wird in allen Einzelheiten beschrieben – und das ist wirklich nichts für zartbesaitete Leser. Wie Rashid und seine Gefährten mit Mädchen und Frauen umgehen, in welcher Familiensituation Rashid lebt, wie täglich Gewalt angewendet wird – all das wird sehr detailliert beschrieben.

Für mich war es ziemlich schockierend, in diese Form der Realität, wie sie in dem Buch dargestellt wird, hineinkatapultiert zu werden. Es ist z. B. schlimm, welche schizophrene Formen das Verhältnis arabischer Jugendlicher Frauen gegenüber zeigt. Einerseits wird Frauen ständig hinterher gestiegen (ja, sogar eine Vergewaltigung wird beschrieben), andererseits muss die eigene Ehefrau bei der Heirat Jungfrau sein, soll sich hauptsächlich zu Hause aufhalten und darf nicht mit anderen Männern sprechen.

Schockierend ist auch die Gewaltdarstellung in dem Buch – und zwar auf zwei Ebenen: Zum einen finde ich es schwer auszuhalten, wenn man z. B. liest, wie ein Schuldiger von Aabid nackt gefesselt auf einem Stuhl mit dem Hammer fast tot geschlagen wird, zum anderen ist das Schockierende daran, dass das Buch keine erfundenen Geschichten erzählt, sondern dass solche Dinge in Deutschland wirklich passieren.

„Arabboy“ ist davon abgesehen recht geschickt erzählt. Güner Balci springt immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. In der Gegenwart sitzt Rashid in Untersuchungshaft, den Hauptteil des Buches nehmen jedoch Stationen aus Rashids Leben ein. Womit ich mich allerdings schwer getan habe, war der Anfang des Buches. Die ersten Kapitel werden seltsam distanziert erzählt – und das passt irgendwie überhaupt nicht zum Rest des Buches.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. „Arabboy“ ist als Buch schon fast eine Zumutung – wobei das nicht negativ gemeint ist. Es tut weh, dieses Buch zu lesen und sich dabei bewusst zu sein, dass Rashids Geschichte nicht erfunden, sondern für manche Jugendliche in Deutschland Realität ist. Güner Balci gelingt dabei die Gratwanderung, das Verhalten der Jugendlichen einerseits nicht zu bagatellisieren, sondern so darzustellen, dass man es in keinster Weise akzeptieren kann. Nur in kleinen Anflügen ist andererseits ab und zu auch ein Hauch von Verständnis für die kriminellen Jugendlichen zu spüren. Nur im Subtext bekommt man mit, dass Rashid und seine Kumpel in einigen Dingen auch Opfer ihrer Umstände sind. Doch dass in „Arabboy“ das Verhalten von Rashid und den anderen Figuren kaum erklärt und schon gar nicht entschuldigt wird, sondern im Großen und Ganzen neutral das Leben Rashids beschrieben wird, ist die Stärke dieses Buches.

Dass einem dieses Buch gefällt, kann man wirklich nicht sagen. Es ist erschreckend, schockierend und beunruhigend, was man da liest. Aber zugleich ist es auch wichtig, dass es solche Bücher gibt – und bis auf die ersten Kapitel hat Güner Balci auch von literarischer Seite her auch Großes geleistet.

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(Ulf Cronenberg, 23.09.2008)


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Kommentare (0)

  1. Michael

    Hallo,
    ich habe das Buch gekauft und mit in den Urlaub genommen, um es dort zu lesen. Hätte ich gewusst, wie drastisch alles beschrieben wird, hätte ich es nicht mitgenommen! Ich habe teilweise heute noch schlaflose Nächte, wenn ich darüber nachdenke was dort geschildert wird, besonders die beschriebene Gewalt gegenüber schwächeren Menschen und auch wehrlosen Tieren (wer das Buch gelesen hat, weiß, was ich meine) hat mich sehr mitgenommen.
    Wir alle sind das Produkt der Erziehung unserer Eltern, den Eindrücken unserer Umgebung, letzlich haben wir aber ALLE die Möglichkeit, einen anderen Weg zu wählen als den kriminellen!
    Von daher hielt sich mein Mitleid zum Ende des Buches dann doch etwas in Grenzen – es ist schlimm, was dem Protagonisten wiederfährt und wie sein Leben verläuft, letzten Endes hatte er aber genügend Möglichkeiten, dies zu ändern. Er tat es nicht und musste dafür die Konsequenzen tragen – so hart, wie das klingen mag, ich bin fest überzeugt, dass wir alle ohne Ausnahme irgendwann die Quittung für unser Tun und Lassen bekommen!
    Gruß, Michael

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  2. Lissa

    Ich habe das Buch auch gelesen, und es schockiert mich sehr, wie schlimm die Lage der Jugendlichen in Berlin-Neukölln (und sicherlich auch in anderen Städten) ist. Ich denke aber, dass das Buch sehr spannend ist.

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  3. SUSII

    Ich habe dieses Buch mit der Klasse gelesen. Es ist voll spannend. Ich fände es gut, wenn es einen Film zu diesem Buch gäbe. Manche Kapitel im Buch sind ziemlich traurig … ):

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  4. Isabel

    Ich muss ehrlich sagen, dass mir dieses Buch wirklich sehr gut gefällt. Wie es geschrieben ist und alles beschreibt, finde ich fabelhaft. In diesem Buch sieht man einfach, dass es Menschen in Deutschland gibt, die unsere Hilfe brauchen, und dass es auch nur Menschen wie wir sind. Sehr gut geschrieben. Gefällt mir total! Ich würde es nur an diejenigen weiterempfehlen, denen solche Bücher gefallen! Einfach top!

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