(Ueberreuter-Verlag 2008, 144 Seiten)
Lange, lange (ich schätze gut zehn Jahre) ist es her, dass ich ein Buch von Reinhold Ziegler gelesen habe. „Version 5 Punkt 12“ war das, wenn ich mich richtig erinnere. Und kennen gelernt hatte ich den Autor mit seinem Jugendroman „Es gibt hier nur zwei Richtungen, Mister.“ Das waren zwei Bücher, die ich nicht schlecht fand, die aber nicht zu meinen Favoriten gehörten.
Während das zweitgenannte Buch in der Gegenwart spielte, malte „Version 5 Punkt 12“ eine düstere Zukunftsvision, in der die Menschen mit Hilfe von Computern überwacht wurden. Auch „Nachtläufer“, Reinhold Zieglers neues Buch, ist in der Zukunft angesiedelt – und zwar nach einer großen ökologischen Katastrophe.
Die Welt wird in der Zeit, in der das Buch spielt, seit mehr als zehn Jahren von schlimmen Stürmen heimgesucht, außerdem wird es überhaupt nicht mehr hell. Die noch lebenden Menschen haben sich in geschützte unterirdische Gänge und Keller zurückgezogen und leben dort in kleinen Kolonien. Auf die Erdoberfläche trauen sich nur noch wenige Menschen, weil man angesichts der Stürme kaum noch aufrecht gehen kann und von herumfliegenden Teilen gefährdet ist. Außerdem ist die Luft so verschmutzt, dass die Menschen davon krank werden. Die Menschen sind arm und versuchen sich das Leben mit Fuselalkohol und einer Droge namens Psi zu verschönern. Lediglich die so genannten „Nachtläufer“ trauen sich überhaupt noch nach draußen, um Handel zwischen den Kolonien zu betreiben.
Auch Tom und Urs, zwei Jungen, sowie ihr Vater Frank leben in einer solchen Kolonie und träumen mit alten Bildbänden von besseren Zeiten. Als Tom und Urs einen ihrer Streifzüge an der Erdoberfläche unternehmen, finden sie das Mädchen Eoda, dem es nicht gut geht – und nehmen das aus seiner Kolonie geflohene Mädchen mit zu sich. Bei ihnen wird Eo, wie sie sich fortan nennt, von Frank wieder gesund gepflegt. Sowohl Tom als auch Urs verlieben sich in Eo und sind bereit, alles für sie zu tun. Und dann haben die drei eine verrückte Idee: Sie wollen Eos Mutter Liza, die in ihrer Kolonie schikaniert wird, retten. Ein waghalsiges Unternehmen…
Mit seinen knapp 150 Seiten ist „Nachtläufer“ schnell ausgelesen – und insgesamt ist das Buch auch kurzweilig. Dass wir auf eine ökologische Katastrophe zusteuern, wenn der Lebenstil der Menschen nicht bald langfristig geändert wird, ist beileibe kein neuer Gedanke – Reinhold Ziegler hat ihn in seinem Buch auf die Spitze getrieben. Der schon heute prognostizierte Klimawandel mit Temperaturerhöhungen ist dagegen ein Klacks…
Jugendliche Leser mit solchen Büchern wachzurütteln, ist durchaus ein ehrwürdiges Vorhaben – und mit Science-Fiction-Geschichten, in denen eine düstere Zukunft vorweggenommen wird, erreicht man Menschen vielleicht noch einmal auf eine andere Art und Weise als mit Zeitungsberichten und Sachbüchern. Was mich an „Nachtläufer“ jedoch gestört hat, ist, dass es sehr plakativ an das Thema herangeht. Wenn der Doc, eine der Nebenfiguren, die im früheren Leben Meteorologe (also Klimaforscher) war, an einer Stelle fast eine Beichte ablegt, wie er nicht auf die Anzeichen einer Klimakatastrophe geachtet hat, dann ist das für meinen Geschmack doch ein wenig zu dick aufgetragen. Solche Stellen gibt es mehrere in dem Buch.
Fazit:
3 von 5 Punkten. Schade, wäre Reinhold Ziegler mit dem Thema ein bisschen behutsamer umgegangen, hätte „Nachtläufer“ ein richtig gutes Buch werden können. Die Geschichte hat durchaus Potenzial (z.B. wegen der interessanten Figuren), doch leider sind einige Stellen in dem Buch zu plakativ und wirken ziemlich konstruiert. Insgesamt ist das Buch für meinen Geschmack – das betrifft vor allem den Schreibstil – außerdem ein bisschen zu brav…
Von diesen Kritikpunkt abgesehen ist „Nachtläufer“ jedoch ein kurzweiliges Buch, dessen politische Absicht grundsätzlich begrüßenswert ist. Ein innovatives Buch – mal abgesehen von dem Schreckensszenario einer ökologischen Katastrophe – ist es jedoch nicht gerade…
(Ulf Cronenberg, 19.08.2008)
P.S.: Ein bisschen erstaunt bin ich über einige Sachinformationen, die in dem Buch stehen. Der Doc sagt z.B. auf Seite 88, dass die Erde 3,8 Milliarden Jahre alt sei – allgemein wird aber eher von 4,6 (z.B. in der Wikipedia) bis 5,9 Milliarden ausgegangen. Und von einer Theorie, die besagt, dass die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren ausgestorben sind, weil sie die Erde überbevölkert hatten und deswegen das Klima der Erde umkippte (Seite 121), habe ich noch nie etwas gehört (was natürlich durchaus sein kann). Allerdings erscheint mir diese Theorie etwas seltsam – mit dem, was ich über das Thema weiß, halte ich sie für kaum nachvollziehbar und wenig glaubwürdig.
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Also, ich lese das Buch gerade zum 2. Mal. Als ich das Buch das erste Mal gelesen habe, war ich gerade 12 oder 13. Inzwischen schreibe ich selbst und habe mich weiterentwickelt (ist ja klar).
Das, was hier als zu „brav“ beschrieben wird, ist glaube ich eher das, was die Kinder davor schützt, nicht zu früh mit Sachen in Kontakt zu treten, die sie eigentlich nicht unbedingt zu wissen brauchen.
Warum Eo vor Odys und Piran solche Angst hat, habe ich zum Beispiel auch erst jetzt verstanden.
Man könnte aber wirklich mal versuchen, die Geschichte neu zu schreiben. Als Erwachsenenbuch. Dann stimmt es, dass es zu brav ist. Heute, mit 16, sehe ich das auch so.
Ich finde, es werden in „Nachtläufer“ zu wenig Hintergrundinformationen mitgeliefert, man findet sich in dem Buch nicht ein. Ich habe mich zum Beispiel ziemlich schwer getan, das Geschehen (warum die Menschen wie Maulwürfe unter der Erde hausen, warum es ewige Nacht ist, wieso ein solcher Sturm an der Oberfläche tobt, usw.) zu begreifen und mich in der Geschichte zurechtzufinden. Durch die recht einfache Wortwahl gelingt es allerdings leicht, sich die Verhältnisse bzw. die Situation vorzustellen. Leider gibt es auch keine genaueren Erklärungen zu den Nachtläufern, die mit den verschiedensten und entlegensten Kolonien Handel treiben; das kann aber auch zum Nachdenken anspornen: Jeder kann sich selbst einen Nachtläufer vorstellen, es gibt kein festes Gefüge, keine eindeutige Charakterisierung eines solchen.
Insgesamt muss ich allerdings sagen, dass mir das Buch nicht gut gefallen hat. Der Anfang des Buches spricht nicht gerade an, die Schilderungen sind platt, nicht gerade sehr anschaulich und lassen an manchen Stellen zu wünschen übrig.
Fazit: 1 von 5 Sternen.