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Buchbesprechung: Robert Domes "Nebel im August"

Cover DomesLesealter 13+(cbt 2008, 307 Seiten plus Anhang)

Bücher über die Zeit des Dritten Reiches gibt es unter Jugendbüchern viele – doch über das schlimme Thema „Euthanasie“ (die systematische Ermordung psychisch kranker, geistig und körperlich behinderter Menschen) im Dritten Reich ist mir bisher keines bekannt.

Robert Domes hat sich des schwierigen Themas angenommen und die Lebensgeschichte Ernst Lossas, eines Jungen von nicht mal 15 Jahren, umfangreich recherchiert, um daraus ein Buch zu machen, das möglichst nah an der Wirklichkeit bleibt… Kein einfaches Buch also – das sei vorab schon gesagt.

Inhalt:

Ernst ist mit vier Jahren der älteste Sohn von Christian und Anna Lossa, seine beiden jüngeren Schwestern werden Nanna (Anna) und Malchen (Amalie) genannt. Die Lossas sind nicht sesshaft, sondern ziehen mit ihrem Wagen von einem Ort zum anderen. Sie gehören zu den so genannten Jenischen, einem Volk, das ähnlich wie die Zigeuner keinen festen Wohnsitz hat. Im Dritten Reich sind die Jenischen (genauso wie die Zigeuner) jedoch nur geduldet und werden von den Behörden beobachtet und nicht gerade gut behandelt.

Ernsts Mutter ist wieder schwanger – doch es geht ihr nicht gut. Sie hustet ständig herum und fühlt sich schwach. Zur Geburt zieht die Familie nach Augsburg und sucht sich eine kleine, schäbige Wohnung, denn ohne festen Wohnort würden die Lossas nach der Geburt bei den Behörden große Schwierigkeiten bekommen. Das vierte Kind wird geboren – doch auch Christian, wie der Sohn genannt wird, ist schwächlich. Schließlich holt eine Nachbarin den Doktor und dieser attestiert Ernsts Mutter eine Fallschwindsucht, die sofort in einem Krankenhaus behandelt gehört. Da Christians Vater zum Geldverdienen schon wieder unterwegs ist und außerdem kein Geld verhanden ist, werden Ernst, Malchen und Nanna schließlich von den Behörden in Kinderheime gesteckt. Die Mutter und auch der kleine Christian sterben kurz darauf, und da der Vater nicht für seine Kinder sorgen kann, bleiben diese in den Kinderheimen.

Für Ernst ist das eine schlimme Zeit: Zunächst wird er von den größeren Kindern im Heim schikaniert, als er sich schließlich zu wehren beginnt, kriegt er Schwierigkeiten mit den Pflegern und der Heimleitung, die ihm mit großen Vorurteilen begegnen und ihn auch vieler Dinge bezichtigen, die er nicht getan hat. Und so wird er schließlich als „unerziehbar“ weitergeschoben in ein Heim für Schwererziehbare, wo alles wieder von vorne beginnt. Doch auch dieses Heim ist noch nicht die letzte Station…

Bewertung:

Es ist schwer, ein Buch zu beurteilen, das man eben erst ziemlich schockiert aus der Hand gelegt hat – denn dass die Geschichte um Ernst Lossa nicht gut ausgeht, war zu erwarten. Auch wenn bekannt ist, welche Verbrechen im Dritten Reich an Juden, Zigeunern, an psychisch Kranken und anderen Menschen verübt wurden, so legt man dieses Buch, das die Euthanasie an einem schwer erziehbaren Jungen so eindrücklich vor einem ausbreitet, nicht einfach nur zur Seite wie manch anderes Jugendbuch…

Robert Domes hat mit „Nebel im August“ ein Buch über ein dunkles Kapitel in der deutschen Geschichte geschrieben. Der Autor hat dafür fast fünf Jahre recherchiert, mit Überlebenden gesprochen, Archive durchgekämmt – sein Ziel war es, möglichst nah an der Wirklichkeit zu bleiben. Dass er dies sehr transparent tut und in einem Nachwort genau erklärt, was er selbst ausgeschmückt und verändert hat (z.B. die Namen einiger Personen), ist besonders hervorzuheben.

Trotzdem: Eine kleine Schwäche hat für mich das Buch. Einerseits ist es lobenswert, wenn man ein Buch so nah an die Wirklichkeit anlehnt, andererseits war es für meinen Geschmack jedoch so, dass gerade der Anfang des Buches etwas gewöhnungsbedürftig war. Die Geschichte ist schon sehr nüchtern erzählt und ein bisschen mehr Ausschmückung, gerade was die Gefühle von Ernst angeht, hätte ich mir doch gewünscht. Ein richtig literarische Kraft, wie ich sie mir von einem guten Buch erwarte, entfaltet „Nebel im August“ leider zu selten.

Man kann das dem Buch wohl nicht ernsthaft vorwerfen – denn es geht eben darum, alles authentisch zu beschreiben. Und dennoch: Von der literarischen Seite her fehlt mir in dem Lebensbericht über Ernst Lossa ein bisschen Zugkraft, die das Buch über das schlimme Schicksal Ernst Lossas hinaus interessant und spannend macht.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. An einem so schwer verdaulichem Buch mit einem so schwierigen Thema Kritik zu üben, ist schwierig. Aber es fehlt das letzte Quäntchen literarischer und sprachlicher Finesse. Damit ist aber schon aller Kritik, die ich an dem Buch habe, Genüge getan.

Robert Domes ist zugute zu halten, dass er mit „Nebel im August“ dem Vergessen über die systematische Euthanasie im Dritten Reich etwas entgegensetzt und das Thema an Jugendliche weiterträgt. Man spürt (gerade auch im Nachwort), dass das Buch mit viel Engagement und gründlicher Recherche geschrieben wurde. Ansonsten kann man dieses Buch nur aus der Hand legen und hoffen, dass solche schlimmen Dinge nicht wieder passieren – und hierfür sind Bücher wie diese wichtig.

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(Ulf Cronenberg, 04.08.2008)

Lektüretipp für Lehrer!

„Nebel im August“ ist eine anschauliche Ergänzung zum Geschichtsunterricht über das Dritte Reich, die einem sehr anschaulich die Verbrechen des Nazi-Regimes vor Augen hält. Für Klassen ab der 8. Jahrgangsstufe bietet sich das Buch für einen fächerübergreifenden Unterricht in Deutsch und Geschichte geradezu an, und der Bertelsmann-Verlag hat hierfür auch Unterrichtsmaterial mit Hintergrundinformationen und Arbeitsblättern zur Verfügung gestellt, das hier als pdf-Datei heruntergeladen werden kann:
http://www.randomhouse.de/content/download/schulbus/domes_nebelimaugust.pdf

Kommentare (3)

  1. Pingback: Jugendbuchtipps.de» Blogarchiv » Buchbesprechung: Anja Tuckermann “Mano. Der Junge, der nicht wusste, wo er war”

  2. Birgit V.

    Wow, das Buch haut einen echt um! Man fühlt sich richtig dabei, erlebt den schlimmen Alltag hautnah und merkt richtig, was das damals für eine schlimme Zeit war.

    Antworten
  3. Pingback: Buchbesprechung: Anja Tuckermann "Mano. Der Junge, der nicht wusste, wo er war" | Jugendbuchtipps.de

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