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Buchbesprechung: Andreas Schendel "Dann tu's doch"

Cover SchendelLesealter 13+(Nagel & Kimche-Verlag 2007, 157 Seiten)

Sehr sympathisch: Ganz am Ende des Buches steht eher unauffällig, dass die Honorare aus diesem Buch einem Kinderheim in Budapest zugute kommen… Außerdem habe ich etwas Kurioses über Andreas Schendel herausgefunden: In vielen Lebensläufen (darunter auch dem des Nagel & Kimche-Verlags) steht, dass der Autor nach dem Abitur eine Bergbau-Lehre begonnen habe. Laut Wikipedia ist dies jedoch eine Erfindung des Autors. Ob das stimmt?

Was jedoch in jedem Fall richtig ist: Andreas Schendel lebt inzwischen zeitweise in Budapest, wo auch „Dann tu’s doch“ spielt. Das Buch steht übrigens auf der Nominierungsliste für den diesjährigen Deutschen Jugendliteraturpreis (und damit sind nun alle Nominierungstitel bei Jugendbuchtipps.de besprochen!).

Inhalt:

Zoltáns Vater ist vor einiger Zeit bei einem Betriebsunfall ums Leben gekommen und deswegen lebt er mit seinem älteren Bruder Peti und seiner Mutter alleine in einem Plattenbau in Budapest. Das Leben in Budapest ist nicht gerade komfortabel, denn die Wohnungen sind Bruchbuden, und Geld ist auch nicht viel vorhanden.

Als Peti eines Tages mit einem neuen Flachbildfernseher nach Hause kommt, gibt es Streit mit der Mutter. Denn sie ahnt, dass Peti den Fernseher nicht gekauft hat. Kurz darauf taucht auch die Polizei auf, die Zoltán und seine Mutter vernehmen – doch Peti kann kein Diebstahl nachgewiesen werden. Kurze Zeit später ist Peti verschwunden, ohne eine Nachricht hinterlassen zu haben…

Zur gleichen Zeit führt Aranka, die in einer anderen Stadt wohnt, Tagebuch über ihr Leben. Ihr Vater hat die Familie verlassen, es kommt wegen der Scheidung zur Gerichtsverhandlung. Doch was klar ist: Aranka und ihre kranke Mutter, deren Nieren nicht mehr gut funktionieren, werden das bisherige Haus, in dem sie gelebt haben, verlassen müssen. Und so ziehen die beiden eines Tages nach Budapest in eine Plattenbauwohnung… – und dort begegnen sich Zoltán und Aranka.

Zoltán verliebt sich sofort in das rothaarige Mädchen mit den Sommersprossen, während Aranka ein wenig hin- und hergerissen ist. Einerseits finde sie Zoltán süß, doch andererseits ist er einfach zwei Jahre jünger…

Bewertung:

Der Einstieg in das Buch ist etwas verwirrend. Da liest man zuerst Tagebuchaufzeichnungen eines Mädchens – noch dazu mit abgekürzten Namen -, um sich kurz darauf in der Geschichte um Zoltán wiederzufinden, die aber mit dem Tagebuch nichts zu tun zu haben scheint. So geht das fast bis zur Mitte des Buches – erst dann werden die beiden Erzählstränge zusammengeführt, als sich Aranka (die das Tagebuch führt) und Zoltán begegnen. Eigentlich ist das Erzählen aus zwei Perspektiven eine gute Idee, die den Leser zunächst erst mal etwas verwirrt, dem Buch aber Anspruch und Tiefe gibt. Allerdings hat mich das Buch am Anfang nicht so richtig gepackt hat – das hat sich erst geändert, als sich Aranka und Zoltán begegnen.

Zuvor wird viel über Zoltáns Leben und seine Familienverhältnisse erzählt: über das trostlose Leben in einem Plattenbau, über Jugendliche, die nicht so recht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, über die Sorgen von Müttern, ihre Familie durchzubringen, etc. Das ist einerseits interessant, weil man in die raue Lebenswelt zweier Jugendlicher in Ungarn blicken darf, andererseits ist die Geschichte hier für meinen Geschmack zu wenig fesselnd.

Als sich Aranka und Zoltán dann begegnen, ist all das jedoch vergessen und es entspinnt sich eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die immer ein wenig tragisch und melancholisch bleibt. Gut gefallen hat mir dabei, dass Zoltán und Aranka beide ein Gefühl teilen, das zwischen den Zeilen deutlich durchschimmert: Das kann es doch noch nicht im Leben gewesen sein. Sie suchen beide nach einem besseren Leben, ohne jedoch zu wissen, wo sie es finden könnten. Diese unterschwellige Hoffnung auf ein besseres Leben, die die scheinbar ausweglose Melancholie von zwei Jugendlichen widerspiegelt, durchweht das ganze Buch – und diese Stimmung wird meisterhaft an den Leser weitergegeben.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Andreas Schendels „Dann tu’s doch“ ist ein Buch, das mir gut gefallen hat – so richtig jedoch leider erst aber der Hälfte. Man mag die ersten 60 bis 70 Buchseiten als interessante Schilderung des nicht einfachen Lebens von Jugendlichen in Budapest ansehen, aber in Bezug auf die Geschichte fehlt es hier noch ein bisschen an innerer Spannung. Doch sobald Aranka und Zoltán sich das erste Mal begegnet sind, ändert sich das gründlich. Von diesem Moment an habe ich gemerkt, dass ich mit dem Lesen des Buches nicht mehr aufhören wollte, wo es vorher eher ein bisschen zäh ging.

„Dann tu’s doch“ ist insgesamt ein tolles Buch, in dem die Stimmung von zwei Jugendlichen in Budapest gut eingefangen wird. Dabei wird nichts beschönigt, sondern das Buch wirkt sehr realistisch und glaubwürdig. Alles in allem doch ein besonderes Buch, das unterm Strich die Nominierung für den Jugendliteraturpreis verdient hat…

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(Ulf Cronenberg, 05.06.2008)

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