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Buchbesprechung: Lian Hearn "Der Ruf des Reihers"

Cover HearnLesealter 14+(Carlsen-Verlag 2007, 794 Seiten)

Eigentlich – so hieß es zu Beginn – sollte die Otori-Reihe eine Trilogie sein. Das stimmt nach wie vor, aber nur insofern, als es drei Hauptbände gibt („Das Schwert in der Stille„, „Der Pfad im Schnee„, „Der Glanz des Mondes„), auf die noch zwei weitere Bände, die die Geschichte abrunden, folgen. Und der erste davon („Der Ruf des Reihers“) liegt seit Anfang des Jahres auch auf Deutsch vor.
Mich haben die Otori-Bücher der australischen Autorin Lian Hearn (die eigentlich Gillian Rubinstein heißt) von Anfang an fasziniert, weil die befremdliche Welt des feudalen Japan so intensiv darin beschrieben wird. Und so war ich gespannt auf den vierten Band – wegen der 800 Seiten, die man nicht mal so eben nebenbei liest, habe ich ihn mit Absicht jedoch etwas liegen lassen…
Übrigens: Man sollte unbedingt die ersten drei Bände gelesen haben, bevor man an dieses Buch herangeht.

Inhalt:

Seit 16 Jahren herrscht Takeo mit seiner Frau Kaede nun über die Drei Länder und es ist ihm gelungen, den Frieden zu wahren und für Wohlstand unter den Menschen zu sorgen. Keine einfache Sache in der intriganten und gewalttätigen Zeit des feudalen Japan. Kaede und Takeo haben inzwischen drei Töchter: die 15-jährige Shigeko sowie die etwas jüngeren Zwillingen Maya und Miki. Doch um die Zwillinge ranken sich einige Gerüchte – eigentlich sollte das zweitgeborene Mädchen nach der Geburt einem alten Brauch und Aberglauben zufolge getötet werden, um Böses abzuwehren. Takeo, der unnötiger Gewalt abgeschwört hat, hat sich diesem Gebot jedoch widersetzt. Die Zwillinge werden von vielen Menschen deswegen mit Argwohn betrachtet.
Doch der Friede in den Drei Ländern ist gefährdet – die alten Feinde Takeos ruhen nicht. Und ein weiterer Feind kommt hinzu. Der Kaiser hat einen neuen General, Lord Saga, und dieser droht, Takeos Herrschaftsanspruch in Frage zu stellen und die Drei Länder besetzen zu wollen. In dieser Stimmung wittern auch andere Personen ihre Chance – allen voran Takeos Schwager Zenko, der vordergründig Takeo zwar die Treue geschworen hat, insgeheim Takeo jedoch gerne gestürzt sähe, um selbst an die Macht zu kommen.
Und schließlich ist da noch die Prophezeiung einer alten Frau, die schon viele Jahre zurückliegt: Dass Takeo fünf Schlachten gewinnen werde (was bereits geschehen ist) und nur durch die Hand seines eigenen Sohnes getötet werden könne. Nur wenige (auch Kaede, seine Frau nicht) wissen, dass Takeo einen unehelichen Sohn hat, der jedoch bei den feindlichen Kikuta aufwächst…

Bewertung:

Meine Vorfreude auf „Der Ruf des Reihers“ war groß – umso enttäuschter war ich nach den ersten zwei- bis dreihundert Seiten, als ich einfach nicht richtig in das Buch hineingekommen bin. Das lag zum einen daran, dass das Lesen der anderen Bände so lange zurückliegt und es nicht einfach ist, wieder in die früheren Geschehnisse hineinzufinden, zum anderen aber auch daran, dass die Geschichte am Anfang etwas still steht. Doch spätestens nach der Hälfte des Buches war all das vergessen und der gewohnte Sog der Otori-Reihe hat sich eingestellt. Ich konnte mit dem Lesen nicht mehr aufhören, bis das Buch zu Ende war.
Nach wie vor sind die Bücher der Otori-Reihe manchmal etwas verwirrend (vor allem auch wegen der vielen für uns Europäer gleich klingenden Namen und wegen der vielen Personen, die in dem Buch vorkommen), aber zugleich auch faszinierend. Es ist wie das Abtauchen in eine gänzlich andere Welt, die mit ihren eigenen Gesetzen von Ehre, Kampf und Familie manchmal unverständlich ist. War mir an Band 3 der Otori-Bücher etwas aufgestoßen, dass zu viele Schlachten und Gewalttaten geschildert wurden, so kann man sich bei „Der Ruf des Reihers“ wieder etwas entspannen. Es geht hier um subtilere Spannung, weniger um Krieg und Gewalt.
Bereichernd sind für den vierten Otori-Band auch die neu hinzugekommenen Figuren: vor allem die Töchter Takeos, die im Laufe des Buches eine immer wichtigere Rolle spielen. Auch hier hat Lian Hearn wieder interessante Figuren geschaffen, die in ihren Gefühlen und Gedanken sehr genau beschrieben sind. Überhaupt ist dies eine der Stärken der Autorin: die Beweggründe der Personen genau auszuloten.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Auch wenn mich der zweite Teil des Buches für den etwas langatmigen Einstieg mehr als entschädigt hat, so hat der vierte Band der Otori-Reihe nicht ganz 5 Punkte verdient. Dennoch: Alles in allem ist es Lian Hearn mit „Der Ruf des Reihers“ gelungen, die Otori-Saga eindrucksvoll fortzusetzen und nahtlos an die Vorgänger-Bände anzuschließen. Auch Band 4 ist (zumindest in der zweiten Hälfte) äußerst spannend, die Figuren sind wie immer eindrucksvoll beschrieben, und das Buch zeichnet die Welt des feudalen Japans so genau, dass man sehr gut in die fremdartige Welt eintauchen kann.
Was soll ich sagen? Ich freue mich auf den fünften und letzten Band, der im September auf Englisch und im Frühjahr 2008 dann hoffentlich auch auf Deutsch erscheint. Aber am liebsten würde ich ihn jetzt gleich lesen, wo ich der Geschichte noch so nahe bin… (ab 14 Jahren)

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(Ulf Cronenberg, 10.06.2007)


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