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Buchbesprechung: Jenny-Mai Nuyen "Nocturna"

Cover NuyenLesealter 10+(cbj-Verlag 2007, 542 Seiten)

Gerade mal 19 Jahre alt ist Jenny-Mai Nuyen und hat vor einem knappen Jahr ihr erstes großes Werk herausgebracht: den Fantasy-Roman „Nijura“ – ein Buch, das mir recht gut gefallen hat. Und nun gibt es einen zweiten dicken Wälzer der jungen Autorin, die von deutsch-vietnamesischen Eltern abstammt: „Nocturna. Die Nacht der gestohlenen Schatten“.
Der Buchtitel legt nahe, dass es sich bei dem neuen Buch wieder um einen Fantasy-Roman handelt – doch spielt dieser diesmal in einer ganz anderen Welt. Elfen, wie in „Nijura“ kommen nicht vor – das Buch spielt eher Anfang des 20. Jahrhundert in einer frühindustrialisierten Welt, hat aber einige Fantasy-Elemente.

Inhalt:

Vampa ist ein Junge, der nichts Genaues über seine Herkunft weiß und sich mit Diebstählen durchs Leben schlägt. Dabei geht er oft größere Risiken ein, was er sich erlauben kann, denn alle Verletzungen, die er sich zuträgt, werden über Nacht wieder von alleine geheilt. Er kann – ohne zu wissen, warum – nicht sterben.
In seinem Versteck sammelt Vampa Bücher, und um an die so genannten Blutbücher – geheimnisvolle Bücher, in denen das Leben von Jugendlichen beschrieben wird – zu kommen, bricht er immer wieder bei Leuten ein.
Apolonia lebt zur gleichen Zeit bei ihrer Tante Nevera und ihrem Onkel Elias. Ihre Mutter wurde vor einiger Zeit ermordet und ihr Vater, ein angesehener Buchhändler, ist nach einen Brand in seinem Buchladen verrückt geworden. Das Mädchen ahnt, dass mit dem Tod ihrer Mutter etwas nicht stimmt und glaubt an eine Verschwörung der so genannten Motten.
Als Motten werden Menschen bezeichnet, die über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen und im Verborgenen die Macht an sich reißen wollen: Sie können unter anderem mit Tieren kommunizieren und haben ungewöhnliche Zauberkräfte. Auch Apolonias Mutter Magdalena war eine Motte, und das Mädchen glaubt, dass ihre Mutter umgebracht wurde, um zum Schweigen gebracht zu werden. Apolonia nimmt sich deswegen vor, die Verschwörung um den Tod ihrer Mutter aufzuklären.
Eines Tages begegnen sich Apolonia und Vampa – hinzu kommt noch ein weiterer Junge namens Tigwid. Sie haben etwas gemeinsam: Sie suchen alle drei nach den Blutbüchern und stoßen dabei auf immer mehr Ungereimtheiten. Hinter den Blutbüchern scheint ein großes Geheimnis zu stehen, das auch etwas mit Vampa, Apolonia und Tigwid zu tun hat. Und schon bald stehen sie mitten im Kampf zweier verfeindeter Motten-Bünde…

Bewertung:

„Nocturna“ hat mich auf den ersten Seiten gefesselt, auch wenn es etwas dauert, bis man in der Geschichte angekommen ist. Denn die Welt in „Nocturna“ ist eine seltsame Mischung aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts (mit Kutschen und gerade erfundenen Automobilen) und einer Fantasy-Welt, in der Menschen mit Zauberkräften leben. Die Geschichte beginnt geheimnisvoll und ist virtuos und abwechslungsreich geschrieben. Der Schreibstil der 19-jährigen Autorin ist einfach bewundernswert.
Doch kurz vor der Mitte des Buches plätschert dann die Geschichte um Apolonia, Vampa und Tigwid etwas arg vor sich hin und wird zäher. An dieser Stelle war Durchhalten angesagt – und dass ich für das Buch 10 Tage gebraucht habe, lag an diesem etwas langatmigen Mittelteil. Innerlich hatte ich mit dem Buch schon fast abgeschlossen.
Doch gottseidank kam dann auf den letzten 100 Seiten die Wende. Die Geschichte wird wieder spannend und was mich im Schlussteil vor allem fasziniert hat, war das Spiel mit Gut und Böse. Lange Zeit weiß man als Leser wirklich nicht, wer nun eigentlich die Guten und wer die Bösen sind – und das spiegelt sehr genau wider, wie sich Apolonia und die zwei Jungen inmitten der beiden Motten-Bünde fühlen. Sie wissen nicht, auf wessen Seite sie sich schlagen sollen.
Die letzten Kapitel des Buches waren dann auch entsprechend schnell verschlungen.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Trotz der Längen in der Mitte des Buches habe ich „Nocturna“ am Ende recht zufrieden aus der Hand gelegt. Der fulminante Schluss mit einigen unerwarteten Wendungen und der Auflösung so mancher Rätsel, die im Buch angesammelt wurden, hat mich nach der Durststrecke im Mittelteil wieder besänftigt. 5 Punkte hat das Buch dennoch nicht ganz verdient.
Die sprachliche Gewandheit von Jenny-Mai Nuyen ist bewundernswert. Die Sätze scheinen ihr nur so aus den Fingern zu fließen. Die junge Autorin hat gute Einfälle, weiß gekonnt eine Geschichte zu erzählen, und die Figuren sind gut gezeichnet und beschrieben.
Unterm Strich ist „Nocturna“ ein Buch, das vor allem Mädchen lieben werden – Leserinnen, die an Büchern wie „Die unendliche Geschichte“ und „Momo“ von Michael Ende ihre Freude hatten. Richtige Fantasy-Fans dagegen werden eher etwas enttäuscht sein – denn von Elfen und anderen Fantasy-Wesen fehlt in dem Buch jede Spur. (ab 10/11 Jahren)

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(Ulf Cronenberg, 08.10.2007)

Kommentare (0)

  1. Lexi

    Hi,
    ich habe das Buch schon gelesen, als es gerade erst erschienen war (ich bin ein echter Nuyen-Fan). Ich finde Ihr Fazit sehr gut, da ich das Buch auch in der Mitte für etwas langatmig hielt.

    Das klingt irgendwie komisch-egal.
    Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es bereits zwei weitere Bücher von der Autorin gibt: „Das Drachentor“ ist schon länger erschienen, und es lohnt sich wirklich, es zu lesen.
    „Rabenmond“ ist noch nicht ganz so lange auf dem Buchmarkt, aber es hört sich, dem Klappentext nach zu urteilen, sehr gut an.
    lg

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