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Buchbesprechung: Hermann Schulz "Der silberne Jaguar"

Cover SchulzLesealter 13+(Carlsen-Verlag 2007, 181 Seiten)

Da Hermann Schulz vor allem Bücher über Afrika geschrieben hat (wo er längere Zeit auf Reisen war), dachte ich zunächst angesichts des Buchtitels, dass mich dieses Buch auch nach Afrika „entführen“ würde – aber weit gefehlt. Die Geschichte handelt nicht von einem Raubtier in Afrika, sondern der „silberne Jaguar“ ist ein Rollstuhl. Wer hätte das gedacht… Und statt nach Afrika führt die Reise in dem Buch nach Weißrussland, einem Land, über das die meisten Menschen in Deutschland (darunter auch ich) eher wenig wissen.
Ich finde es jedenfalls spannend, dass Hermann Schulz seine Leser immer in fremde Regionen „mitnimmt“…

Inhalt:

Rufus‘ Eltern ziehen für drei Jahre nach Südamerika – und da sie denken, dass das nichts für ihren Sohn ist, kommt Rufus bei seiner Tante Josephine unter, die Lehrerin ist und mit der er gut zurechtkommt.
Um neben der Schule etwas Geld zu verdienen, jobbt Rufus in einer Tankstelle, die einem Polen gehört. Und da ereignet sich eines Tages etwas, was Rufus‘ Leben verändert: Ein älterer Mann mit einem Holzbein fährt in einem Mercedes vor und verlangt auf unverschämte Art und Weise von Rufus, dass dieser ihm den Schlüssel für die Behinderten-Toilette bringen soll. Rufus fragt – wie ihm Wischinski, der Tankstellenbesitzer, aufgetragen hat – nach dem Behindertenausweis des Mannes, doch dieser wird immer ausfälliger. Und so rückt Rufus nicht mit dem Schlüssel raus. Der Mann verlässt wütend die Tankstelle und meint noch, dass Rufus das noch bereuen würde.
Wie sich herausstellt, war der ältere Mann der neue Direktor an der Schule, in der Tante Josephine Lehrerin ist und auf die Rufus geht. Der Direktor lädt ihn kurz darauf wegen des Vorfalls vor – doch Rufus‘ Tante hat vorher schon mit dem Direktor gesprochen und etwas vereinbart. Und so wird das Gespräch im Direktorat für Rufus weniger schlimm, als er befürchtet hat. Rufus soll – das ist die Vereinbarung zwischen dem Direktor und seiner Tante – einen alten Rollstuhl herrichten, den die Tante für eine Weißrussland-Hilfsreise bekommt, und ihn dann mit ihr gemeinsam nach Weißrussland bringen. Dort soll Rufus den Rollstuhle einer behinderten Frau überreichen. Und so kommt es, dass Rufus nach der Reparatur des Rollstuhl, bei der er von Wischinski unterstützt wird, mit Tante Josephine nach Weißrussland reist.
Das unbekannte Land befremdet den Jungen zunächst einerseits, andererseits ist er fasziniert von dem Menschen dort, die so offen auf andere zugehen… Doch dann wird der hergerichtete Rollstuhl über Nacht aus einem Lastwagen gestohlen – und Rufus macht sich auf die Suche nach dem Gefährt. Dabei lernt er unter anderem einige Germanistikstudenten aus Weißrussland kennen, die sich gegen das politische System in Weißrussland stellen und mit denen er sich anfreundet.

Bewertung:

Zunächst war ich etwas enttäuscht, als ich bemerkte, dass es in „Der silberne Jaguar“ nicht um Afrika geht, hat mir Schulz‘ letztes Buch über Afrika („Leg nieder dein Herz„) doch so gut gefallen. Doch schon bald war die Enttäuschung vergessen, denn nach den ersten 50 Seiten, die noch in Deutschland spielen, wird man als Leser in eine nicht weniger interessante Welt versetzt: die von Weißrussland. Natürlich kann ich nicht beurteilen, wie authentisch Hermann Schulz‘ Schilderungen der Zustände in Weißrussland sind, aber zumindest beim Lesen hat sich alles recht glaubwürdig angefühlt: die Armut der Leute, die Bespitzelung durch die Polizei und den Geheimdienst, die chaotischen Zustände, aber auch die Herzlichkeit der Menschen dort. Mir ging es als Leser letztendlich genauso wie Rufus in dem Buch: Völlig unbedarft wurde ich mit einer mir unbekannten Welt konfrontiert.
Genau das macht auch den Reiz dieses Buches aus: Es ist wie eine kleine Entdeckungsreise in unbekanntes Terrain. Und so wie Rufus am Ende einiges über das ehemals sozialistische Land erfahren hat, legt man auch als Leser das Buch aus der Hand und hat Interesse an einem bis dato unbekannten Land gewonnen.
„Der silberne Jaguar“ ist ein solide und unauffällig geschriebenes Buch – was ganz klar als Lob gemeint ist. Nicht nur Rufus und Tante Josephine, sondern auch die anderen Personen des Buches (allen voran die Germanistikstudentin Jana) sind gut beschrieben, und so legt man mit ein wenig Wehmut das Buch aus den Händen, weil man zu gerne wüsste, wie die Geschichte weitergeht.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit hat mich „Der silberne Jaguar“ richtig gepackt – und so habe ich an einem gemütlichen Sonntagmorgen das Buch auch fast in einem Rutsch ausgelesen. Was mir so gefallen hat: Die Personen des Buches wachsen einem beim Lesen ans Herz und nebenbei macht man eine kleine Entdeckungsreise nach Weißrussland. So wie Rufus mit neuen Erfahrungen und Einsichten am Ende nach Deutschland zurückkehrt, so legt man auch als Leser das Buch zufrieden aus der Hand. Man wünscht sich, noch mehr über die Figuren und das fremde Land zu erfahren.
Hermann Schulz hat mit „Der silberne Jaguar“ einmal mehr bewiesen, dass er ganz besondere Bücher schreibt – Bücher, die nicht mit der aktuellen Jugendbuch-Mode gehen und trotzdem nicht altmodisch wirken. Nein, die Büchern von Hermann Schulz bestechen durch ihre Ehrlichkeit und durch ihre Authentizität. (ab 13 Jahren)

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(Ulf Cronenberg, 04.05.2008)

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