(Sauerländer-Verlag 2006, 226 Seiten)
Viel zu selten – finde ich – gibt es im Bereich der Jugendbücher gute Science-Fiction-Romane, und jedes Mal freue ich mich, wenn ich hier auf ein neues Buch stoße. Doch leider sind die wirklich guten Science-Fiction-Bücher rar gesät.
Die Amerikanerin Suzanne Weyn hat in den USA schon mehrere Bücher veröffentlicht – „Bar Code Tattoo“ ist jedoch ihr erster Zukunftsroman, der auf Deutsch erschienen ist. Der Roman spielt im Jahr 2025 – ein für mich interessantes Datum, weil ich erst neulich mit Schülern einer neunten Klasse Texte darüber geschrieben habe, wie die Schüler sich ihr Leben in 20 Jahren, also 2026, vorstellen – und zwar in zwei Versionen: erstens, wenn in ihrem Leben alles gut läuft, und zweitens, wenn alles schief geht. Interessante Texte sind dabei zum Teil entstanden – und nun die Zukunftsvision einer Schriftstellerin, wie diese sich das Jahr 2025 vorstellt…
Inhalt:
Das Jahr 2025 – immer mehr Menschen lassen sich auf ihre Hand ein Barcode Tattoo machen. Mit diesem Tattoo sind alle anderen Ausweise und Papiere, aber auch Geld und Kreditkarten unnötig – denn auf Ämtern und an Kassen reicht es, das Tattoo unter einen Scanner zu halten. Hinter dem Barcode steht eine große Firma, die die gesamte Wirtschaft lenkt und die durch den Barcode ihre sowieso schon große Macht ausbauen will : Global 1.
Doch es gibt einige Menschen, die sich dieser Mode widersetzen – vor allem, weil sie befürchten, dass die Menschen durch das Tattoo vollständig überwacht werden können. Außerdem haben die Gegner des Tattoos weitere Bedenken – denn seit einiger Zeit passieren nicht nachvollziehbare Dinge: Einigen Menschen wird, wenn sie ihren Barcode vorzeigen, verwehrt, auf ihre Konten zurückzugreifen, und sie können keine Einkäufe und Geschäfte damit erledigen.
Auch Kayla und ihre Eltern haben diese Erfahrung gemacht. Die Eltern haben sich zunächst gewehrt, sich einen Barcode auf die Hand tätowieren zu lassen – doch der Druck vom Arbeitgeber wurde immer größer, bis sie schließlich nachgaben. Doch seit dem Tattoo geht es mit der Familie bergab. Kaylas Vater geht nicht mehr arbeiten, hängt nur noch zu Hause herum, ist apathisch und depressiv. Kayla ahnt, dass es etwas mit dem Barcode zu tun hat, doch ihre Eltern geben ihr darüber keine Auskunft.
In der Schule lernt Kayla einige Aktivisten kennen, die an Kampagnen gegen das Strichcode-Tattoo teilnehmen und eine kleine Untergrund-Zeitschrift herausgeben. Obwohl ihre Freundin Amber sie vor den Aktivisten warnt, schließt sie sich der Gruppe an, und gemeinsam versuchen sie dem Geheimnis um den Barcode auf die Spur zu kommen. Keine einfache Aufgabe, da die Sicherheitsvorkehrungen groß sind und die Jugendlichen sich in akute Gefahr begeben…
Bewertung:
„Bar Code Tattoo“ steht in der Tradition von Science-Fiction-Romanen, die davor warnen, dass die Menschen in einem modernen Überwachungsstaat gläsern und in all ihren Schritten überwacht werden. Die Idee, dass die Überwachung der Menschen durch einen auf die Hand tätowierten Barcode stattfindet, ist neu und zugleich abschreckend: Sie erinnert an die Nummern in Konzentrationslagern, die ebenfalls auf die Haut tätowiert wurden. Und dennoch: dass zur Erleichterung des Lebens solche Strichcodes eingesetzt werden, scheint nicht ganz abwegig. Suzanne Weyn treibt damit moderne Sicherheitsvorkehrungen wie Iris-Scans oder DNA-Analysen auf die Spitze, mit den Barcodes lässt sich das Leben eines Menschen so verfolgen, wie das z.T. auch heute schon durch Navigationssysteme (so es dafür missbraucht würde) passieren könnte.
Die Sorgen um die Zukunft hat Suzanne Weyn in einen für Jugendlichen spannenden Roman gepackt, dessen Schreibstil nicht innovativ, aber solide ist. Die Erzählung wird immer wieder durch Mail-Schriftwechsel oder Gesetzestexte aufgelockert.
Was mich an dem Roman jedoch gestört hat, ist das Ende, auf das er zusteuert. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Der Roman, der als Zukunftsroman beginnt, entwickelt sich am Ende fast zu einem Fantasy-Roman, da einige Menschen ihre telepathische Fähigkeiten entdecken. Diese Wendung im Buch hinterließ bei mir irgendwie das Gefühl, dass die Autorin damit ihren beängstigenden Zukunftsentwurf selbst entkräftet. Der Warnung vor dem Überwachungsstaat wird dadurch, dass Suzanne Weyn ins Fastastische abgleitet, die Aussagekraft genommen. Am Ende legt man das Buch weniger schockiert als mit dem Gefühl „Na ja, ein netter Jugendroman“ aus der Hand…
Fazit:
3-einhalb von 5 Punkten. Schade, Suzanne Weyn hat aus ihrer guten Grundidee leider zu wenig gemacht und einen halbherzigen Science-Fiction-Roman geschrieben. „Bar Code Tattoo“ ist kein schlechtes Buch – nein, es liest sich angenehm -, aber von einem guten Science-Fiction-Buch erwarte ich einfach mehr. Der etwas kitschige Schluss des Buches entkräftet leider die Warnung, die in Suzanne Weyns Zukunfsvision steckt.
Trotz meiner Kritik kann ich mir vorstellen, dass dieses Buch vielen Jugendlichen zwischen 11 und 13 Jahren, die sich für Zukunftsthemen interessieren, gut gefallen wird. Also, lasst euch von meiner Kritik nicht zu sehr abschrecken…
(Ulf Cronenberg, 22.10.2006)
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