(Sauerländer-Verlag 2006, 192 Seiten)
Eigentlich dachte ich, dass Robert Habeck und Andrea Paluch mit „Zwei Wege in den Sommer“ ihr erstes Buch veröffentlicht haben, da mir ihre Namen nichts sagten. Doch weit gefehlt – eine kleine Literaturrecherche bei Amazon hat mich eines Besseren belehrt. Allerdings ist „Zwei Wege in den Sommer“ wohl ihr erstes Jugendbuch, zu dem sich ein Kinderbuch sowie zwei Erwachsenenbücher gesellen.
Gespannt war ich auf das Buch besonders, weil mir Frau Ladwig vom Patmos-Verlag von ihm vorgeschwärmt hatte… Solche Bücher beginne ich meist mit besonderer Vorfreude. Und wenn man dann ein Buch, das im Sommer spielt, größtenteils bei schönstem Herbstwetter draußen lesen kann, kann ja fast nichts schiefgehen…
Inhalt:
Was soll man in den letzten Sommerferien vor dem Abitur anderes machen, als auf eine große Reise gehen? Max, der in den letzten Jahren einiges mitgemacht hat, beschließt alles hinter sich zu lassen. Mit einem Boot will er alleine nach Tornio in Finnland segeln – doch geht es dabei nicht nur um ein exotisches Reiseziel, sondern auch darum, das Max an diesem Ort sein Leben beenden will.
Max‘ Selbstmord-Plan ist nicht neu und hat viel mit den Erlebnissen des letzten Jahres zu tun. Denn seine Zwillingsschwester Miriam, mit der er lange Jahre fast alles geteilt hatte, hat Selbstmord begangen, indem sie nachts aufs offene Meer geschwommen ist. Für Max ist das eine traumatische Erinnerung, denn er war selbst am Strand, versuchte Miriam noch zu retten, schaffte es jedoch nicht. Seit längerer Zeit versucht er nun schon, die Erinnerung an die Nacht, in der Miriam starb, zu verdrängen – aber das gelingt ihm nicht, auch wenn er nicht mehr alle Einzelheiten weiß.
Auf die Reise nach Tornio machen sich zugleich – das ist mit Max verabredet – auch Ole und Svenja, Freunde von Max – jedoch auf eigene Faust, nicht im Boot, sondern mit Trampen und Zugfahren. Die drei haben dabei eine besondere Abmachung getroffen: Sie dürfen nur 100 Euro mit auf die Reise nehmen und kein weiteres Geld verbrauchen. Am Ende der Sommerferien wollen sie sich, wenn alles gut geht, in Tornio treffen. Und so machen sich Svenja und Ole sowie Max auf den Weg. Abenteuerliche Ferien warten auf die drei…
Bewertung:
Schon wenn man den Beginn des Buches zusammenfasst (und in der obigen Zusammenfassung fehlen ja viele wichtige Details und Hintergründe), wird klar, dass die Geschichte um Max, Svenja und Ole nicht nur ein Abenteuerbuch ist. Nein, es geht um viel mehr – und das ist genau das, was den Reiz des Buches ausmacht. Max, der sich vorgenommen hat, auf der Reise nach Tornio mit seinem Leben abzuschließen, ist mit sich selbst konfrontiert, will alles hinter sich lassen und geht dabei die wichtigsten Stationen in seinem Leben noch einmal durch. Dieses Tagebuch der Segelreise bildet den einen Teil des Buches… Parallel dazu wird erzählt, wie Svenja und Ole sich über Umwege nach Tornio durchschlagen – schwarzfahrend auf Güterwagons und Fähren oder trampend. Svenja hält die wichtigsten Reisestationen mit der Videokamera fest und führt auf diese Art und Weise auch ein Tagebuch, in dem sie einerseits die Reise schildert, andererseits aber auch viel über die Vergangenheit nachdenkt.
In Robert Habecks und Andrea Paluchs Buch werden die beiden Reiseberichte immer parallel erzählt – an der Schrift (bei Svenja kursiv) erkennt man immer, wer gerade berichtet. Wie diese beiden Geschichten ineinander greifen, das ist kunstvoll gemacht: Denn es geht nicht nur darum, dass die beiden Reiseberichte zeitlich zusammenpassen – vielfach ergänzen sie sich auch inhaltlich.
Was mir an „Zwei Wege in den Sommer“ so gut gefallen hat – auch wenn das Buch nicht immer ganz leicht zu lesen ist -, ist die Art, wie hier Jugendliche über das Leben nachdenken: mit Offenheit (ja, z.T. Schonungslosigkeit), aber auch mit viel Unsicherheit und Zweifeln. Max und seine Freunde ringen noch um ihren Platz im Leben, stellen Fragen, versuchen Antworten zu finden, suchen Lebenswege…
Fazit:
5 von 5 Punkten. Robert Habeck und Andrea Paluch ist mit „Zwei Wege in den Sommer“ ein tolles Jugendbuch geglückt, in dem sowohl die innere als auch die äußere Handlung immer spannend bleiben. Man braucht, um mit diesem Buch glücklich zu werden, schon ein bisschen Interesse an philosophischen Fragen, sollte sich gerne mit der Frage nach dem Sinn des Lebens auseinandersetzen – aber für Jugendliche, die das suchen, ist dieses Buch eine Perle, die bunt schimmert und immer wieder die Farbe wechselt, wenn man sie wendet und dreht. Auch wenn Max im Zentrum des Buches steht: Dennoch dürfte es egal sein, ob man als Junge oder als Mädchen das Buch liest. Die Fragen, die aufgeworfen werden, sind für Mädchen wie Jungen interessant.
Als ich vorhin das Buch auf der sonnigen Bank eines Parks (dem Landesgartenschaugelände in Würzburg) zu Ende gelesen habe, hätte ich am liebsten auch alles stehen und liegen gelassen, um loszusegeln… Was für ein schönes Bild: sich im Leben nach Tornio aufmachen!
(Ulf Cronenberg, 24.09.2006)
Lektüretipp für Lehrer!
Max, der den Selbstmord seiner Zwillingsschwester zu verkraften versucht, will in den letzten Sommerferien vor dem Abitur alleine nach Finnland segeln, um sich dort selbst das Leben zu nehmen.
Kein einfaches Buch, aber ein Buch, das viele Gesprächsangebote mit Schülern eröffnet: über Schicksalsschläge, über die eigene Verantwortung für andere, über Beziehungen und so vieles mehr. Habeck/Paluchs Buch erfordert reife Schüler, die sich auf solche Fragen einlassen und sich ihnen stellen wollen. Zu empfehlen ab der 10. Jahrgangsstufe.
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Die Rezension hat mich wirklich neugierig gemacht!
Ich werde das Buch meiner Klasse vorschlagen. Wir suchen nämlich noch eine Lektüre, die wir in Deutsch bald lesen müssen.
Das Buch wäre sicherlich ganz gut geeignet.
Hallo Bettina,
berichte doch mal darüber, ob deine Schüler das Buch gewählt haben – und wenn ja, wie es ihnen gefallen hat.
Gruß, Ulf