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Buchbesprechung: Frances O'Roark Dowell "Chicken Boy"

Cover DowellLesealter 10+(Sauerländer-Verlag 2007, 175 Seiten)

Es gibt Bücher, auf die wird man nicht unbedingt durch ihren Buchumschlag aufmerksam. So ist das auch bei „Chicken Boy“. Das Buchcover sieht nicht gerade verlockend aus, finde ich (eine Kollegin von mir, die das Buch auf meinem Schreibtisch liegen sah, behauptete allerdings genau das Gegenteil – wegen des netten Jungen), und auch der Buchtitel scheint mir nicht gerade verkaufsfördernd gewählt. Doch der Text auf dem Buchumschlag klang dann doch so interessant, dass ich neugierig geworden war…
Frances O’Roark Dowell, die Autorin, ist übrigens Amerikanerin und hat früher u.a. als Englischlehrerin gearbeitet. Inzwischen hat sie mehrere Romane für Kinder und Jugendliche veröffentlicht (auf Deutsch ist noch „Dunkler Sommer über Indian Creek“ erschienen) und arbeitet an einer Mädchenzeitschrift mit.

Inhalt:

Tobin lebt mit seinem Vater und seinen Geschwistern auf einer alten Farm – doch seit seine Mutter an Krebs gestorben ist, geht daheim alles drunter und drüber. Die Familie trifft sich nur noch vor dem Fernseher, in der Küche stapeln sich die Geschirrberge und zu essen ist meist auch nichts im Kühlschrank. Tobin leidet unter der Situation und vermisst seine Mutter sehr.
Auch sonst geht es Tobin nicht gerade gut. In der Schule läuft es schlecht, außerdem hat er keine Freunde. Die einzige weitere Bezugsperson für ihn ist seine Großmutter Granny – doch mit dieser ist sein Vater heillos zerstritten.
Als Tobin im Sportunterricht eines Tages seine neue Lehrerin Miss Thesman verteidigt, wird er von einem deutlich stärkeren Jungen aus der Klasse angegriffen. Doch völlig unerwartet mischt sich ein anderer Junge ein und hilft Tobin, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Der Junge stellt sich später als Henry vor.
Eigentlich will Tobin mit Henry zunächst gar nichts zu tun haben, doch dann wird er von Henry zu sich nach Hause eingeladen, wo er dessen Hühner anschauen soll. Tobin hält Henry für ein bisschen verrückt, doch nachdem sein Großmutter ihm sagt, dass er gefälligst zu Henry gehen soll, schaut er bei diesem vorbei. Henry ist ganz besessen von seinen Hühnern, glaubt, dass sie intelligent sind und eine Seele haben – außerdem träumt er davon, mit seinem Bruder eine Hühnerfarm aufzubauen. Und Tobin versucht er davon zu überzeugen, dass er mitmachen soll.
Tobin ist von Henry zunächst etwas verwirrt – vor allem auch, weil dieser so viel reden kann, während er selbst meist nur schweigt. Doch langsam freunden sich die beiden an, und selbst Henrys Begeisterung für Hühner greift auf Tobin über. Schon bald verbringen die beiden viel Freizeit miteinander… Und eines Tages, nachdem sich viel in seinem Leben verändert hat, wird Tobin sagen: „Ohne Hühner hätte ich den Arsch nicht hochgekriegt“.

Bewertung:

„Chicken Boy“ (an den Titel kann ich mich nach wie vor nicht gewöhnen) ist, auch wenn man es zunächst nicht vermutet, eine kleine Jugendbuchperle. Von Anfang an, war ich von diesem Buch begeistert und wollte, obwohl ich die letzten Tage beruflich viel zu tun hatte, gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören und habe die wenigen freien Minuten genutzt, um mit dem Buch voranzukommen.
Es sind viele Dinge, die mich an dem Buch so fasziniert haben: Zum einen sind es die Personen, die darin vorkommen – sei es die schrullige Oma Granny, die ihre Liebhaber wie Socken wechselt und sich nichts gefallen lässt, oder Henry mit seinem Glauben, dass Hühner eine Seele haben. Von Anfang an fühlt man sich den Figuren vertraut und kommt nicht umhin, sie zu mögen. Zum anderen ist die Geschichte immer wieder einfühlsam und witzig zugleich erzählt. Schließlich ist es diese absurde Grundidee, dass die Hühner Tobin aus dem Sumpf seines bisherigen Lebens ziehen, die das Buch so lesenswert macht. „Chicken Boy“ hat damit das besondere Etwas, das dieses Buch aus der Masse an Jugendbüchern herausstechen lässt.
Die wirklich einzige kleine Kritik, die man diesem Buch zukommen lassen kann, ist, dass es etwas schnell und plötzlich endet. Ich hätte gerne noch ein bisschen weitergelesen… Aber vielleicht ist es zugleich dieser offene und plötzliche Schluss, der einen nicht müde an diesem Buch werden lässt.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Es scheint ein Trend zu sein, Jugendbuchgeschichten mit etwas absonderlichen Ideen zu „würzen“: In „Chicken Boy“ sind es die Hühner, in „Wir Kühe“ von Catherine Gilbert Murdock werden die Menschen mit Kühen verglichen oder in „Meisterwerk“ von Frank Cottrell Boyce sind es Gemälde, die ein verschlafenes Dorf auf Trab bringen. Auch wenn sich diese Form von Jugendbüchern vielleicht irgendwan mal totlaufen wird – „Chicken Boy“ ist ein Buch, das auf vergnügliche und geistreiche Art und Weise den Weg eines Jungen zu sich selbst beschreibt. Ich glaube zwar nicht, dass das Buch seinen Leser dazu bringt, Hühner zu halten und sie als beseelte Lebewesen anzusehen, aber immerhin ist Frances O’Roark Dowells Buch ein Roman, der einem vor Augen hält, dass das Leben etwas Schönes und Spannendes ist – voller unerwarteter Winkelzüge, die uns bereichern können. (ab 10/11 Jahren)

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(Ulf Cronenberg, 22.03.2007)


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