(Hanser-Verlag 2006, 167 Seiten)
Kaum erschienen, schon hat das Buch einen großen Preis, den Luchs des Monats, eingeheimst und wurde von der Jury von ZEIT und Radio Bremen zum besten Kinder- und Jugendbuch im August gekürt.
Bart Moeyaert ist ein inzwischen relativ bekannter Kinder- und Jugendbuchautor aus Belgien, der schon einige Preise bekommen hat – darunter auch 1998 den Deutschen Jugendliteraturpreis für sein Buch „Bloße Hände“. Und trotzdem ist es mein erstes Buch, das ich von dem flämischen Schriftsteller lese…
Wer übrigens mehr über Bart Moeyaert (Mujahrt ausgesprochen), kann auf dessen eigener Website (sogar in Deutsch) Weiteres nachlesen…
Inhalt:
Was für eine Familie: Sieben Brüder, der Erzähler im Buch darunter der jüngste, dann natürlich noch Vater und Mutter und schließlich die Großmutter, liebevoll Memee genannt. Dass gerade für den Jüngsten das Leben nicht immer leicht ist, versteht sich. Denn die größeren Brüder halten den Kleinen natürlich für dumm und hirnlos, und er muss so einiges aushalten. Und von vielen solcher Geschichten handelt dieses Buch…
Da wird zum Beispiel erzählt, wie die Brüder heimlich im Schwimmbecken eines Nachbarns baden gehen und dabei natürlich erwischt werden. So wird der jüngste Brüder vom Nachbarn ins Gebüsch gezogen, dort beschimpft und schließlich von diesem mit Steinen und Erdklumpen beworfen. Doch die Brüder lassen sich davon nicht beeindrucken und lachen über den Mann. Als dieser weg ist, sinnen die Brüder auf Rache… Und was machen sie? Sie schleichen ins Schwimmbecken zurück und pinkeln ins Wasser…
Oder es wird erzählt, wie die Familie eine furchteinflößende Haushaltshilfe bekommt, weil die Mutter und einige Brüder wegen Gelbsucht im Krankenhaus liegen. Die Haushaltshilfe spricht kein Wort – und so verstummen auch die Brüder und verständigen sich fortan nur noch wortlos – aus Angst, etwas Falsches zu sagen…
So gibt es viele weitere kleine Geschichten darüber, was die sieben Brüder gemeinsam machen: wie sie das erste Mal gemeinsam mit den Eltern in eine große Stadt fahren, was sie am Meer erleben und wie sie dort im Sand eine Höhle buddeln, die sie aber kurz darauf wieder zuschütten müssen…
Bewertung:
„Brüder“, das war mein erster Eindruck, ist ein seltsames Buch. Es sind lauter kleine Geschichtchen besonderer Erlebnisse und Eindrücke aus dem Leben von Bart Moeyaert, die dieser in einem Band zusammengefasst hat – und keine dieser Episoden ist länger als vier Seiten. So hat es auch recht lange gedauert, bis ich überhaupt so richtig verstanden habe, um was es hier geht – denn eine Einführung sucht man vergeblich – nein, es geht einfach mit den Geschichten los… Der Einstieg wird dem Leser außerdem dadurch erschwert, dass Bart Moeyaert recht kunstvoll, dadurch aber oft zugleich etwas kryptisch (also schwer zu verstehend) schreibt. Das hat das Lesen ziemlich anstrengend und am Anfang auch nicht so richtig genussvoll gemacht.
Doch irgendwann, nachdem die Hälfte des Buches gelesen war, kam für mich der Umschwung. Nach und nach haben die kleinen Episoden ihren Reiz entfaltet, weil sie so eindrücklich aus der Sicht eines kleinen Jungen erzählen, in was für eine (besondere) Welt er hineingeboren wurde, wie er seine Familie, und was sich dort zugetragen hat, erlebt. Und das ist eine Welt, die wir so heute gar nicht mehr kennen – oder für welches Kind ist es heute noch ein wirklich großes Erlebnis in eine Großstadt zu fahren?
Fazit:
3-einhalb von 5 Punkten. Im Laufe des Lesens hat das hoch gelobte Buch doch noch an Charme gewonnen. Aber eine einfach zu lesende Lektüre ist es nicht… Letztendlich – das ist zumindest mein Eindruck – ist das, was Bart Moeyaert hier geschrieben hat, auch kein richtiges Kinder- und Jugendbuch. Zwar spielen sieben Jungen die Hauptrolle, doch ist das Buch so geschrieben, dass es eigentlich eher Erwachsene verstehen und auch genießen dürften. Das ist auch der Grund, warum das Buch von mir mit nur dreieinhalb Punkten bewertet wurde: weil ich eigentlich nicht glaube, dass viele Kinder und Jugendliche das Buch mit Genuss lesen werden.
Das soll jedoch nicht heißen, dass die „Brüder“ ein schlechtes Buch ist. Nein, im Gegenteil… (und ich bin mir auch sicher, dass einige der kurzen Geschichtchen in den nächsten zehn Jahren in dem ein oder anderen Deutsch-Lesebuch auftauchen werden). Aber es ist eben ein Kinderbuch, das eher etwas für Erwachsene ist – und damit auch eine Besonderheit…
Hm… Was soll ich schreiben, ab welchem Alter man dieses Buch empfehlen kann? Und für wen? „Brüder“ ist am ehesten ein Vorlesebuch ab 10 Jahren und vor allem geeignet für Kinder und Jugendliche, die kreativ und einfühlsam sind. Wer es gerne spannend und packend hat, der wird mit diesem Buch sicher nicht glücklich…
(Ulf Cronenberg, 31.08.2006)
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