(cbj-Verlag 2006, 313 Seiten)
Die britische Autorin Sally Gardner hat eine wirklich ungewöhnliche Biografie: Sie litt als Kind an Dyslexie, konnte also nicht lesen und schreiben, und besuchte mehrere Schulen für lernbehinderte Kinder. Das Erstaunliche war, dass sie dennoch nach der Schulzeit erfolgreich an einer Kunstakademie ihr Examen machte und schließlich sogar Bilderbücher verfasste. Mit „Ich, Coriander“ wagte Sallly Gardner sich erstmals daran, ein Kinder- und Jugendbuch zu schreiben.
Inhalt:
England befindet sich in schwierigen Zeiten, nachdem 1649 König Karl I. hingerichtet wurde. Oliver Cromwell hatte die Monarchie (also die Königsherrschaft) gestürzt und die Macht an sich gerissen – entsprechend turbulent ging es in dem Land und unter der Bevölkerung zu.
Corianders Vater hat eine großes Handelsgeschäft, doch die Geschäfte gehen zunehmend schlecht, denn er steht unter dem Verdacht ein Anhänger des Königs zu sein. Doch es kommt noch schlimmer. Eines Tages wird Corianders Mutter schwer krank, und nach kurzem Kampf gegen die Krankheit stirbt sie. Für Coriander beginnt eine schlimme Zeit, denn ihr Vater kommt mit dem Tod seiner Frau überhaupt nicht zurecht, lässt alle Geschäfte schleifen und kümmert sich um gar nichts mehr.
Schließlich raten Bekannte ihm, dass er sich neu verheiraten soll – und zwar mit einer frommen Frau, die außer Verdacht steht, eine Königsanhängerin zu sein. Dadurch soll von dem Verdacht abgelenkt werden, dass Corianders Vater ein Gegner Oliver Cromwells ist.
So geschieht es schließlich, dass Maud, eine dicke und gnadenlos strenge Frau mit ihrer Tochter Hester einzieht und fortan Coriander das Leben schwer macht. Statt der erhofften Erleichterung durch die neue Heirat wird alles jedoch nur noch schlimmer: Coriander wird von ihrer Stiefmutter schlimm behandelt, schließlich muss ihr Vater auch noch fliehen, um der Verfolgung zu entgehen. Coriander bleibt zurück und muss Schreckliches erleiden. Doch als Coriander zur Strafe in eine Truhe eingesperrt wird, passiert etwas Seltsames: Sie betritt eine andere Welt, in der es Feen gibt und in der andere ungewöhnliche Dinge passieren. Und diese Welt – das erfährt Coriander nach und nach – ist auch für das verantwortlich, was in ihrem eigentlichen Leben mit ihrer Familie passiert ist…
Bewertung:
„Ich, Coriander“ ist ein ungewöhnliches Buch. Zunächst hat man den Eindruck, dass es sich um einen geschichtlichen Roman handelt, doch nach einigen Seiten merkt man, dass da noch mehr ist. Denn Corianders Mutter, die andere Menschen heilt und die deswegen von einigen als Hexe bezeichnet wird, scheint außergewöhnliche Fähigkeiten zu haben. Nach und nach passieren weitere ungewöhnliche Dinge – und spätestens als Coriander in der anderen Welt aufwacht, weiß man endgültig, dass man keinen historischen Roman, sondern eine Mischung aus Fantasy- und Geschichtsroman liest.
Sally Gardners Buch ist von Anfang an mit großer Sprachkraft geschrieben. Sehr intensiv wird aus der Sicht von Coriander beschrieben, was dem Mädchen alles passiert. Das Buch lebt davon, dass Coriander eine ausgeprägte kindliche Persönlichkeit ist – in manchen Dingen sehr selbstbewusst, in anderen Bereichen dagegen auch zweiflerisch bis verzweifelt. Man kommt nicht umhin, mit Coriander mitzufühlen und mitzuleiden und sie lieb zu gewinnen. So wird man nach und nach in die Geschichte hineingezogen, als hätte einen Coriander verzaubert.
Fazit:
5 von 5 Punkten. „Ich, Coriander“ ist ein ungewöhnliches Buch für Kinder und Jugendliche ab 9 bis 10 Jahren, das vor allem Mädchen lieben werden. Denn Coriander und seiner Gefühlswelt kann man sich einfach nicht entziehen – die Geschichte hat fast hypnotische Kraft. Dass das Buch eine Mischung aus Geschichts- und Fantasyroman ist, klingt vielleicht zunächst etwas ungewöhnlich (obwohl es da einige gelungene Vorbilder gibt), aber genau das macht auch den Reiz der Geschichte aus und hebt es aus den vielen Neuerscheinungen von Kinderbüchern heraus. Gerade für mich, der ich nicht unbedingt ein Freund von geschichtlichen Romanen ist, bietet „Ich, Coriander“ damit etwas, was ich an anderen historischen Jugendbüchern vermisse: Es wird nicht so getan, als hätte all das wirklich so passieren können… Das macht dieses Buch ehrlicher als andere Bücher, die geschichtliche Themen behandeln, und zugleich auch spannender.
(Ulf Cronenberg, 13.05.2005)
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Das Buch ist sehr traurig, aber auch fantastisch, denn es geht um ein Mädchen, das nie aufgibt.