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Buchbesprechung: Åke Edwardson "Samuraisommer"

Cover EdwardsonLesealter 12+(Carlsen-Verlag 2006, 206 Seiten)

Es scheint zunehmend beliebt zu werden, dass Erwachsenenschriftsteller, darunter auch Krimiautoren, Jugendbücher schreiben – gerade in Schweden: Henning Mankell verfasst Kinderbücher, Håkan Nesser hat mit „Kim Nowak badete nie im See von Genezareth“ vor eineinhalb Jahren ein tolles Jugendbuch geschrieben, und nun schickt sich auch Åke Edwardson an, ein Jugendbuch zu veröffentlichen: „Samuraisommer“.
Von schwedischen Jugendbüchern erwarte ich im Übrigen immer Besonderes – ich glaube, es gibt aus keinem anderen Land durchgehend so viele gelungene Jugendbücher wie aus Schweden. Für mich gehören schwedische Jugendbuchautoren wie Mikael Engström, Mats Wahl oder früher Peter Pohl einfach zu den ganz Großen. Ob sich Åke Edwardson hier einreihen kann?

Inhalt:

Tommy nennt sich eigentlich Kenny, was sich vom japanischen Wort „ken“ für Schwert ableitet – und das nicht ohne Grund: Denn Tommy will ein Samurai, ein japanischer Krieger, sein. Deswegen hat Tommy auch auf dem Ferienlager, in dem er den Sommer mit vielen anderen Jugendlichen verbringt, eine Gruppe von Jungen um sich versammelt, die wie er Samurai sein wollen, sich Schwerter aus Holz angefertigt haben und außerdem im Wald an einem Samurai-Schloss bauen.
Das Sommercamp, zu dem Tommy von seiner Mutter schon seit Jahren geschickt wird, ist alles andere als angenehm. Die Kinder werden von den Betreuern und vor allem von der Leiterin, einer alten Frau, ständig schikaniert. Am schlimmsten findet Tommy dabei das Essen – einen üblen Fraß, den man jedoch ohne Murren aufessen oder besser gesagt herunterwürgen muss, sonst kriegt man großen Ärger. Als Tommy eines Tages das Frühstück beim besten Willen nicht herunterbekommt, wird er deswegen auch gleich zur Leiterin zitiert, die ihn schon wegen anderer Vorfälle auf dem Kieker hat. Tommy versucht sich zu wehren, doch so richtig gelingt ihm das nicht…
Doch auch in anderer Hinsicht hat Tommy es nicht leicht, denn im Ferienlager hat er einen Feind, der mit seinen Freunden die Samurais um Tommy, wo immer es geht, zu bekämpfen versucht. Und schließlich ist da noch Kerstin, zu der sich Kenny hingezogen fühlt und die eines Tages spurlos verschwunden ist. Tommy fürchtet und ahnt, dass ihr etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte…

Bewertung:

„Samuraisommer“ ist allein schon aus dem Grund ein typisch schwedischer Jugendroman, weil darin die Jugendlichen – wie so oft – auf sich allein gestellt sind, sich quasi selbst erziehen und durchs Leben schlagen müssen und dabei die Erwachsenen als hilflose und unfähige Menschen, von denen sie im Stich gelassen werden, erleben. Diese Sicht vom Erwachsenwerden zieht sich durch viele Bücher schwedischer Autoren.
Åke Edwardson erzählt seine Sommercamp-Geschichte aus der Sicht von Tommy eher unaufgeregt, jedoch sehr einfühlsam. Man bekommt einen sehr genauen Einblick, was es heißt, sich in diesem Ferienlager behaupten zu müssen – vor allem, wenn man nicht bereit ist, sich alles gefallen zu lassen. Tommy verzweifelt an all dem fast, versucht sich jedoch durch sein Gegenbild, ein Samurai zu sein, der furchtlos und tapfer in den Kampf zieht und sich nicht verbiegen lässt, zu behaupten. Doch gelingt ihm dies nur zum Teil – man merkt, dass Tommy alles in allem trotzdem ein zerbrechliches Wesen hat, dass er seinen Platz im Leben sucht – da hilft auch die Samurai-Illusion nichts… Es ist genau diese Beschreibung der Person eines Jugendlichen, die für mich das Besondere an diesem Buch ausmacht: Man könnte „Samuraisommer“ fast als eine Charakterstudie bezeichnen.
Aber natürlich geht es auch um anderes: um grausame Erwachsene, um schwierige Familienverhältnisse, aus denen viele Kinder des Ferienlagers kommen, um Freundschaft, etc.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Wie sehr mich „Samuraisommer“ irgendwann in seinen Bann gezogen hat, kann man daran sehen, dass ich die letzten 80 Seiten bis halb ein Uhr nachts – schon im Bett liegend – in einem Rutsch gelesen habe – und das, obwohl ich eigentlich übermüdet war. Åke Edwardsons Buch ist sicher nicht so charismatisch wie Håkan Nessers „Kim Nowak badete nie im See von Genezareth“ – ich meine, es hat mich nicht von der ersten Seite an so gefesselt -, aber es entfaltet langsam aber stetig einen ganz besonderen Reiz, dem man sich irgendwann nicht mehr entziehen kann. Wie eine Spinne, die langsam ihr Netz spinnt und es irgendwann zuzieht.
„Samuraisommer“ ist ein Buch für alle Erwachsenen und Jugendlichen (ab 12/13 Jahren), die davon träumen bzw. früher davon geträumt haben, einmal Cowboy oder Indianer, Fußballprofi oder Astronaut zu werden. Denn „Samuraisommer“ handelt einerseits von diesen Träumen, andererseits aber auch davon, dass das wirkliche Leben manchmal nur schwer und nur mit solchen Träumen auszuhalten ist.

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(Ulf Cronenberg, 16.04.2006)

Weitere Meinungen:

Die Geschichte um Kenny ist eigentlich eine traurige Geschichte, aber auch eine Geschichte über Freundschaft und Mut.
Edwarson schreibt schonungslos, atmosphärisch dicht, psychologisch ausgefeilt und packend. Die Geschichte an sich in ihrem Gesamtverlauf finde ich nicht so wichtig und so gut wie die Stimmung in den Einzelszenen und die Wiedergabe von Kennys Gedanken. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Buch ganz besonders Jungen anspricht, doch auch ich habe es ausgesprochen gern gelesen. Es ist allerdings nichts für Leser, die eher actiongeladene Stoffe bevorzugen, sondern fesselt auf eine andere, besondere Art und Weise.

(Iris Henninger)

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