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Buchbesprechung: Sarah Weeks "So B. it"

Cover WeeksLesealter 10+(Hanser-Verlag 2005, 222 Seiten)

Was für ein Titel für ein Buch! „So sei es“. Und dazu ein Buchcover, das ein bisschen nach Kinderbuch aussieht.
Die Beschreibung im Hanser-Verlagsprospekt klang schon sehr interessant und als dann vor zwei Wochen in der ZEIT „So B. it“ den Luchs des Monats verliehen bekam (vgl. hier) und das Buch in höchsten Tönen gelobt wurde, war ich mehr als gespannt auf dieses Buch.
Sarah Weeks schreibt schon mehr als zwanzig Jahre Kinder- und Jugendbücher, arbeitet aber auch als Sängerin und Songwriterin – trotzdem kenne ich die amerikanische Autorin bisher nicht, obwohl es schon Bücher (und auch CD’s) von der Autorin auf Deutsch gibt.
Aber nun auf zu Heidis Geschichte…

Inhalt:

Heidi lebt seit vielen Jahren bei ihrer Mutter und bei Bernadette, die von Heidi meist liebevoll Bernie genannt wird. Doch sehr viel mehr weiß Heidi nicht über ihre Familie – nur dass ihre Mutter eines Tages vor Bernadettes Haus stand, als Heidi noch ein Säugling war, und dass Bernadette sich beider angenommen hat. Auch ihr Vater ist Heidi unbekannt, sie kennt weder seinen Namen noch weiß sie, ob er noch lebt und wo er wohnt. Und eigentlich weiß sie auch gar nichts von ihrer Mutter, denn diese ist geistig behindert und kann nur 23 Wörter sprechen. Selbst ihr eigener richtiger Name ist Heidi und ihrer Mutter ein Geheimnis, namenlos standen beide vor Bernadettes Tür. Da ihre Mutter immer wieder „So B. it“ – zumindest klingt es so – sagt, bekamen die beiden von Bernadette den Nachnamen „It“. Heidi It.
Bernadette schließlich, die sich so liebevoll um die Mutter und Tochter kümmert, hat auch ihr Geheimnis. Sie leidet an Agoraphobie (der Angst, sich an freien Plätzen aufzuhalten) und erträgt es nicht, aus dem Haus zu gehen.
Doch je älter Heidi wird, desto mehr tauchen in ihr Fragen nach ihrer Herkunft auf. Als sie eines Tages mit Bernadette entdeckt, dass in einer alten Kamera ihrer Mutter noch ein Film steckt und sie diesen entwickeln lassen, ist Heidi nicht mehr zu bremsen. Auf einem Foto sieht man ihre Mutter, schwanger mit einem dicken Bauch, und eine ältere Frau, von der Bernadette vermutet, dass dies Heidis Großmutter sein könnte. Auf dem Bild stehen beide vor einem Heim mit dem Namen „Hilltop Home, Liberty, New York“. Und Heidi ist willens, nach Liberty zu fahren, um mehr über ihre Herkunft und ihre Familie zu erfahren.
Doch Bernadette, die ja nicht aus dem Haus kann, ist dagegen, dass ein so junges Mädchen sich alleine auf den gefährlichen Weg nach Liberty macht, das mehrere Tage Busreise entfernt liegt – begleiten kann Bernadette das Mädchen wegen ihrer Agoraphobie ja nicht. Doch Heidi lässt sich von dieser Idee nicht abbringen und nachdem sie Bernadette längere Zeit „bearbeitet“ hat, bricht sie schließlich mit dem Bus nach Liberty auf, um dem Geheimnis ihrer Familie auf die Spur zu kommen.

Bewertung:

Sarah Weeks ist eine begnadete Erzählerin – immer wieder kam ich beim Lesen aus dem Staunen gar nicht heraus. Es hat ein wenig gedauert, bis mich das Buch so richtig gefangen nahm, aber spätestens als Heidi sich auf die Reise nach Liberty macht, ließ mich das Buch nicht mehr los. Es sind diese bizarren, wundersamen Figuren, die „So B. it“ aus der Masse der Kinder- und Jugendbücher herausstechen lassen. Nicht nur Bernadette, Heidi und ihre Mutter sind hier zu nennen, sondern die Liste der interessanten Figuren lässt sich beliebig fortsetzen. Heidi begegnet auf ihrer Reise vielen weiteren Menschen, die einerseits so menschlich sind, andererseits wirken, als stammten sie nicht von dieser Welt mit ihren Eigenarten und Macken. Jede der Personen scheint ein Geheimnis zu haben…
Doch nicht nur die Figuren sind etwas Besonderes – auch der Schreibstil des Buches verzaubert den Leser. Wie Sarah Weeks mit sprachlichen Bildern Gefühle einfängt, Stimmungen vermittelt und die Personen beschreibt, das ließ mich als Leser immer wieder dahinschmelzen. Ich weiß nicht, ob ich in einer Buchbesprechung schon mal aus einem Buch zitiert habe – aber hier ist es einfach Zeit dafür (auch wenn es die Buchbesprechung etwas verlängert): „Schnell schloss ich die Schublade, aber es war zu spät – die zwischen den weichen Stapeln aus pastellfarbener Baumwolle gefangene Trauer war entwichen und hing nun in der Luft wie ein kalter feuchter Nebel. Alles verlangsamte sich, als wir beide in dem kleinen hinteren Schlafzimmer standen und der Nebel uns umfing.“ Kann man die Trauer einer Frau, die nach drei Frühgeburten kinderlos geblieben ist, zauberhafter und eindrücklicher beschreiben? Das Buch ist voll von solchen Bildern…
Heidi ist außerdem eine so besondere Heldin, die einerseits oft am Leben verzweifelt, sich andererseits aber nicht unterkriegen lässt und unerschrocken durchs Leben geht. Man muss sie einfach mögen – und das Buch auch.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Sarah Weeks ist mit „So B. it“ ein gefühlvolles und intensives, ein wirklich bezauberndes Buch gelungen, das eigentlich die Skala mit den fünf Punkten sprengt. Wer sich von Heidi It, dem kleinen großen Mädchen, ihrer Geschichte und ihrem Lebenswillen nicht verzaubern lässt, ist selbst Schuld.
Es gibt wohl nur wenige Autoren, die ähnlich dicht und intensiv schreiben können – spontan fallen mir von den Büchern, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, eigentlich nur Jerry Spinelli (z.B. mit „East End, West End und dazwischen Maniac Magee“) sowie einige schwedische Autoren wie Håkan Nesser („Kim Nowak badete nie im See von Genezareth„) und Mikael Engström („Brando„) ein.
„So B. it“ ist sicherlich eines der besten Bücher des Jahres 2005. Mehr gibt es darüber nun nicht mehr zu sagen. (ab 10 Jahren)

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(Ulf Cronenberg, 06.09.2005)

Lektüretipp für Lehrer!

„So B. it“ ist ein ganz besonderes Buch, wie die Buchbesprechung schon gezeigt hat – und von daher ist es auch als Schullektüre für eine 5. Klasse geeignet. Wegen der angesprochenen Themen, aber auch wegen der Schreibweise würde ich das Buch eher für eine Klasse empfehlen, in der hauptsächlich Mädchen sind.
In einer 5. Klasse habe ich den Anfang des Buches einmal vorgelesen – und es hat einigen Schülern gut gefallen.


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