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Buchbesprechung: Kevin Brooks "Martyn Pig"

Cover BrooksLesealter 14+(dtv 2004, 287 Seiten)

Es gibt Bücher, die übersieht man einfach: Weil sie nicht in einem der bekannten Jugendbuchverlage erscheinen; weil das Cover nicht sehr auffällig ist; etc. So ging es mir auch mit „Martyn Pig“ von Kevin Brooks. Wäre das Buch nicht in der Nominierungsliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2005 aufgetaucht, hätte ich es nicht entdeckt. Und das, obwohl ich gerne Krimis lese und „Martyn Pig“ eine Krimi für Jugendliche sein soll …

Inhalt:

Martyn, ein 14-jähriger Junge, der wegen seines Nachnamens „Pig“ (dt. Schwein) so einiges auszuhalten hat, lebt mit seinem Vater alleine zusammen. Die Mutter hat den Vater irgendwann verlassen – nicht ohne Grund: denn Martyns Vater ist Alkoholiker und behandelt seinen Sohn alles andere als gut. Doch Martyn hat sich damit arrangiert, auch wenn er sich bewusst ist, dass sein Leben nicht gerade toll ist. Einziger Lichtblick in Martyns Leben ist die zwei Jahre ältere Alex, die Tochter der Nachbarin – mit ihr verbringt Martyn viel Zeit.

Als Martyn und sein Vater eines Abends bei einer Krimisendung, die Martyn anschaut, in Streit geraten, weil sein Vater einfach nicht ruhig ist und ständig dazwischen spricht, passiert etwas Schreckliches. Sein Vater geht auf Martyn los, um diesem eine zu verpassen – doch Martyn weicht aus und versetzt dabei seinem Vater aus Versehen mit dem Ellenbogen einen Schlag in den Rücken. Martyns Vater fällt unglücklich hin und stößt mit dem Kopf so an den Kamin, dass er sofort tot ist. Martyn ist wie gelähmt und weiß nicht, was er tun soll. Er sitzt einfach in der Wohnung und starrt vor sich hin. Als einige Zeit später Alex vorbeischaut, zeigt er ihr seinen toten Vater – aber auf Alex‘ Drängen, die Polizei zu rufen, geht er nicht ein. Martyn befürchtet, dass er zu seiner gehassten Tante Jean abgeschoben wird, außerdem meint er, dass die Polizei ihm die Schuld für den Tod seines Vaters geben wird. Alex und Martyn planen deswegen, wie sie Martyns Vater anders „beseitigen“ können …

Doch alles wird noch komplizierter, als Martyn durch Zufall mitbekommt, dass sein Vater 30.000 Pfund erben soll. Martyn träumt davon, mit Alex ein anderes Leben zu führen und abzuhauen. Doch noch jemand anderes hat Wind von dem Geld bekommen und wird Martyn und Alex erpressen …

Bewertung:

Ein typischer Krimi mit Mordfall und Inspektor ist „Martyn Pig“ nicht – das Buch fällt eher in die Kategorie moderner Kriminalroman. Kevin Brooks hat ein spannendes Buch geschrieben, das vor allem aufgrund der unerwarteten Wendung, die der Roman am Ende nimmt, gelungen ist. Das zeichnet einen guten Kriminalroman aus – dass man das Ende nicht schon vorhersieht.

Doch „Martyn Pig“ ist nicht nur ein Krimi, sondern zugleich auch ein Jugendbuch, da alles aus der Sicht von Martyn beschrieben wird und man somit viel über das Denken und Fühlen eines 14-jährigen Jungen erfährt. Wie Kevin Brooks das alles beschreibt, ist etwas Besonderes – es wirkt glaubwürdig und authentisch. Von den Gefühlen Martyns seinem Vater, aber auch seiner Freundin Alex gegenüber ist viel die Rede – und diese sind literarisch interessant und anspruchsvoll ausgeführt.

Es ist eigentlich nur eine Kleinigkeit, die mich an dem Buch ein wenig irritiert hat: Würde ein 14-jähriger nach dem Tod seines Vaters wirklich nicht zur Polizei gehen? Aber gut, vielleicht habe ich da etwas enge Vorstellungen … Und Bücher bilden ja nicht unbedingt die Wirklichkeit ab, sondern sind häufig auch Gedankenspiele.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Mit „Martyn Pig“ ist Kevin Brooks ein interessantes und kurzweiliges Crossover-Buch zwischen Kriminalroman und Jugendbuch gelungen, das man nicht lange liegen lässt, wenn man einmal angefangen hat. Man darf sich – da mag einen das Etikett „Krimi“ auf die falsche Fährte locken – allerdings kein Buch mit Verbrecherjagd und spannendem Show-Down am Ende vorstellen – mit dieser Erwartung wäre man bei „Martyn Pig“ enttäuscht. Die Spannung im Buch liegt vielmehr in den inneren Vorgängen der Hauptperson: wie Martyn die schwierige Situation zu meistern versucht, welche Lösungswege er ersinnt und einschlägt, welche Pläne er verfolgt etc. Wer sich mit einer solchen inneren Spannung anfreunden kann, wird „Martyn Pig“ – so wie ich – begeistert aus den Händen legen. (ab 14/15 Jahren)

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(Ulf Cronenberg, 19.06.2005)


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