(Sauerländer-Verlag 2005, 248 Seiten)
Es gibt Bücher, auf die muss man eigens hingewiesen werden, weil man sie aus eigenem Antrieb wohl eher nicht lesen würde. Mit Els Beertens „Lauf um dein Leben“ war das bei mir so. Im Buchladen wäre ich an dem Buch wohl vorbeigelaufen, denn angesichts meiner bisher immer vergeblichen Versuche, regelmäßig zu joggen (ich brauche einfach einen Ball, um hinterzulaufen – aber das ist ein anderes Thema…), hätte ich wohl bei dem Buchcover und dem Titel nicht unbedingt zu dem Buch gegriffen.
In diesem Fall war es Wibke Ladwig vom Patmos-Verlag, die mir dieses Buch empfahl. Und ob sie mir damit etwas Gutes getan hat, werdet ihr am Ende der Besprechung wissen. (Ich weiß es schon jetzt, will aber vorab die Spannung nicht zerstören… 🙂
Inhalt:
Noor entdeckt eines Tages, dass ihr Laufen gut tut. Aus Frust (sie hat sich mit ihrer Freundin gestritten) dreht sie – mehr zufällig als geplant – mehrere Runden um den Sportplatz und merkt dabei, wie sie von ihren Sorgen abschalten kann. Ihr Vater, der Noor bei Laufen beobachtet hat, bemerkt sofort, dass seine Tochter flink und eine gute Läuferin ist.
Schon bald wird das Laufen für Noor etwas ganz Wichtiges – täglich dreht sie ihre Runden um den Sportplatz und im Wald. Sie genießt es, dabei allein zu sein, zumal es mit ihrer besten Freundin Rosie einigen Stress gibt – denn Rosie klaut ständig Süßigkeiten, mit der sie ihre Freundinnen versorgt. Und das findet Noor ziemlich schlimm – ihre Freundschaft mit Rosie, die schon Jahre dauert, steht auf dem Spiel… Und außerdem ist da noch eine schlimme Geschichte, die ein paar Jahre zurückliegt, bei der ihre frühere Freundin Linda verunglückt ist. Noor würde das, was damals passiert ist, am liebsten ganz vergessen, in ihren Gedanken holt sie jedoch die Vergangenheit immer wieder ein.
Noors Leben verändert sich stark, als sie in einen Verein eintritt und dort von Toni, der sie für ein großes Lauftalent hält, trainiert wird. Schon bald gewinnt Noor einen Wettkampf nach dem anderen – doch ihre größte Herausforderung steht ihr noch bevor: ein Marathonlauf. Alle raten ihr wegen ihrer jungen Jahre davon ab – sogar Toni, ihr Trainer. Doch Noor ist stur wie ein Esel und will sich dieser Herausforderung stellen – und zwar zu einer Zeit, als in Belgien (dort spielt das Buch) Frauen gerade erst zu Marathonläufen zugelassen wurden und eine bespöttelte Minderheit sind…
Bewertung:
„Lauf um dein Leben“ ist eines der Bücher, die eher still und leise angeschlichen kommen. Die Geschichte braucht etwas, bis sie in Schwung kommt – und so habe ich für die ersten 70 Seiten auch länger gebraucht als für die restlichen 180 Seiten. Doch irgendwann folgt man Noors Geschichte nicht mehr nur langsam, sondern im Rennschritt. Wie es Els Beerten in dem eher ruhigen Buch gelingt, eine subtile Spannung aufzubauen, ist bewundernswert. Es sind eigentlich zwei Momente, die dazu führen, dass man spätestens ab der Mitte des Buches immer weiterliest: Zum einen will man wissen, ob Noor beim Marathonlauf durchhält und ins Ziel kommt, zum anderen ist man als Leser mehr als neugierig, welches Geheimnis sich hinter Noors früherer Freundschaft zu Linda verbirgt. Dass da etwas Tragisches passiert ist, ahnt man von Anfang an.
Ein wenig seltsam und unausgegoren fand ich am Anfang die ständigen Zeitsprünge im Buch – im Wesentlichen gibt es darin drei Zeitebenen: die Gegenwart, in der Noor gerade den Marathon läuft, und zwei unterschiedlich weit zurückliegende „Vergangenheiten“, auf die sie während des Marathons zurückblickt: die Zeit vor dem tragischen Unfall mit Linda und die nähere Vergangenheit, in der Noor eine erfolgreiche Läuferin wird. Wie gesagt, anfangs war ich von diesen Zeitebenen etwas verwirrt, denn sie sind nicht durch äußere Kennzeichen (wie eine andere Schrift) voneinander abgegrenzt, sondern man muss beim Lesen selbst herausfinden, zu welcher Zeit das Geschehen gerade spielt. Doch je länger ich in der Geschichte drin war, desto reiz- und kunstvoller fand ich diese Zeitsprünge. Sie halten den Leser gedanklich auf Trab.
Fazit:
5 von 5 Punkten. Els Beerten, der flämischen (also aus dem niederländisch sprechenden Teil von Belgien stammenden) Kinder- und Jugendbuchautorin ist mit „Lauf um dein Leben“ ein tolles Buch gelungen, das einfühlsam und gekonnt erzählt, wie ein Mädchen über einen tragischen Unfall hinwegkommt. Man darf bei dem Buch nichts Spektakuläres erwarten, sondern bekommt eine Geschichte präsentiert, wie man sie aus dem wirklichen Leben kennt (natürlich ein bisschen aufgepeppt) – aber das macht zugleich auch den Wert des Buches aus: dass es so lebensnah wirkt.
Die Geschichte um Noor ist wegen der weiblichen Hauptperson sicher eher ein Buch für Mädchen (ab 14 Jahren) und natürlich besonders zu empfehlen, wenn man selbst gerne läuft oder joggt. Aber man kann „Lauf um dein Leben“ durchaus auch sonst (ich bin weder weiblich, noch jogge ich) viel abgewinnen…
(Ulf Cronenberg, 28.04.2005)
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