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Buchbesprechung: Lian Hearn "Der Pfad im Schnee"

Cover HearnLesealter 15+(Carlsen-Verlag 2004, 397 Seiten)

„Das Schwert in der Stille“ von Lian Hearn war eines der besten (Jugend–)Bücher, die ich im Jahr 2003 gelesen habe, und es hat fast ein Jahr gedauert, bis endlich Band 2 der Otori-Trilogie auf Deutsch erschienen ist (obwohl es ihn seit fast einem Jahr auf Englisch gibt).
Kaum dass ich „Der Pfad im Schnee“ mit seinem künstlerischen Schutzeinband in den Händen hielt, konnte ich es mir nicht verkneifen, gleich mit dem Lesen anzufangen – auch wenn „ältere“ Bücher auf meinem Lesetisch liegen und ich sie normalerweise grob der Reihe nach lese. Die Fortsetzung der Otori-Trilogie ist in jedem Fall eine Ausnahme wert…

(Die Buchbesprechung von Band 1 könnt ihr übrigens hier nachlesen.)

Inhalt:

Band 2 setzt dort ein, wo Band 1 aufgehört hat. Takeo, dessen Adoptivvater Shigeru getötet wurde, hat sich dagegen entschieden, Nachfolger seines Vaters und Anführer des Otori-Clans zu werden. Stattdessen hat er sich dem so genannten Stamm, einer Art Geheimbund, angeschlossen, jedoch nicht nur aus freien Stücken, sondern auch weil andernfalls sein Leben bedroht gewesen wäre. Kaede, seine Geliebte, dagegen bleibt vorerst bei Arai, dem bedeutendsten Fürsten des Landes, und musste zusehen, wie Takeo sie zurücklässt – trotz ihrer gegenseitigen tiefen Verbundenheit.
Doch auch Kaede will nach einiger Zeit weiterziehen und zum Landsitz Shirakawa ihrer Eltern zurückkehren – Arai wäre es zwar lieber, dass sie bei ihm bleibt, doch lässt er sie schließlich gehen. Nach einer längeren Reise, auf der Kaede u.a. auch bemerkt, dass sie von Takeo schwanger ist, kommt sie trotz eines Hinterhalts, bei dem sie getötet werden sollte, beim Haus ihrer Eltern an. Doch das Anwesen ist völlig verwahrlost, ihre Mutter gestorben und der Vater geistig verwirrt. Obwohl es eigentlich nicht der feudalen Frauenrolle entspricht, macht sich Kaede daran, das Haus der Eltern und das umliegende Dorf wieder auf Vordermann zu bringen…
Takeo wird zur gleichen Zeit vom Stamm verborgen gehalten, weil er in Gefahr ist. Vom Stamm wird er in unerbittlicher Strenge zur Vervollkommnung seiner ungewöhnlichen Talente (z.B. der Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen) in der Kampfkunst unterwiesen. Vor allem die mitfühlende Art wollen seine Lehrer ihm abgewöhnen und ihm stattdessen widerspruchslosen Gehorsam beibringen; denn der Stamm sichert seinen Einfluss, indem seine Mitglieder sich bedingungslos für die Ziele des Stammes zur Verfügung stellen. Takeo, auf den eine ganz besondere Aufgabe wartet, fällt der Gehorsam jedoch mehr als schwer und innerlich bleiben ihm die Ziele des Stammes fremd…
Als der Stamm von ihm verlangt, geheime Unterlagen aus dem Haus seines Adoptivvaters Shigeru zu stehlen, kommt Takeo in einen Interessenskonflikt – er weiß nicht, ob er dem Stamm oder seinem verstorbenen Adoptivvater treu bleiben soll. Mit einem anderen Krieger des Stamms bricht Takeo zum Haus seines Vaters auf, ohne noch genau zu wissen, wie er handeln soll…

Bewertung:

Was für ein Buch! Vom Anfang bis zum Ende hatte ich beim Lesen dieses Gefühl des Staunens – auch wenn es ganz zu Beginn etwas schwer war, wieder in die Geschichte aus dem feudalen Japan hineinzukommen. Vor allem die komplizierten japanischen Namen machen einem das nicht leicht…
Lian Hearn gelingt es auch im zweiten Band der Otori-Trilogie, den Zauber des ersten Bandes zu verbreiten. Schon beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, wie ihr das eigentlich gelingt – eine ganz schlüssige Antwort habe ich noch immer nicht gefunden. Es hat sicherlich mit ihrem unauffälligen, aber treffsicherem Schreibstil zu tun, der genau die richtige Mischung aus einfühlsamen Beschreibungen und spannender Handlung aufweist. Ebenso wichtig ist die genaue Zeichnung der Buchfiguren. Die Motive, Gefühle und Beweggründe von Takeo, Kaede, von den Mitgliedern des Stamms und allen anderen vorkommenden Personen werden facettenreich beschrieben. Lian Hearn geht genau auf die negativen Gedanken und Gefühle sowie die Abgründe in den Personen ein. Das macht die Figuren lebendig und lässt den Leser teilhaben. Doch darüber hinaus ist „Der Pfad im Schnee“ mit einem geheimnisvollen Zauber versehen, der sich nicht in Worten fassen lässt (zumindest nicht von mir).

Fazit:

5 von 5 Punkten gibt es – ebenso wie schon für Band 1 – auch für Band 2. Lasst euch nicht von der etwas drögen Inhaltsangabe oben abschrecken (es ist mir schon lange nicht mehr so schwer gefallen, ein Buch zusammenzufassen): Lian Hearn hat mit den bisherigen zwei Bänden eine der besten Jugendbuchtrilogien begonnen, die ich in den letzten Jahren gelesen haben. Schon jetzt freue ich mich auf Band 3 (der eigentlich schon im Juni unter dem Titel „Brilliance of the Moon“ auf Englisch erschienen sein sollte).
Zu den typischen Jugendbüchern zählt die Trilogie nicht – die Bände könnten genauso gut auch als normale Erwachsenen-Romane erscheinen… Das lässt sich auch an der Alterempfehlung ablesen: 15 oder 16 Jahre alt sollte man für diese Bücher schon sein – nicht nur der Gewalt im Buch, sondern auch der Komplexität der Geschichte wegen.
„Das Schwert in der Stille“ und „Der Pfad im Schnee“ sind Bücher, die ich in ein paar Jahren sicherlich ein zweites Mal lesen werde (dann mit Band 3 nacheinander). Mehr muss man über die Qualität der Bücher eigentlich nicht sagen. Große Leseempfehlung!

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(Ulf Cronenberg, 11.07.2004)

Weitere Informationen die Otori-Bücher findet ihr auf folgender Website: http://www.otori.de. Wen die Namen im Buch verwirren, der kann sich dort im Internet einen Überblick über die Clans und Takeos Welt verschaffen.


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