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Buchbesprechung: Joyce Carol Oates "Mit offenen Augen"

Cover OatesLesealter 14+(Hanser-Verlag 2005, 233 Seiten)

„Mit offenen Augen“ ist Joyce Carol Oates zweiter Ausflug ins Reich der Jugendbücher. „Unter Verdacht“ – ihr erster Jugendroman (die Buchbesprechung könnt ihr hier nachlesen) – hat mir damals ja nicht so ganz gut gefallen. Das Buch wirkte nicht ganz rund und es fehlte ihm ein wenig „Biss“, wie ich es damals formuliert habe. Aber davon wollte ich mich nicht beeinflussen lassen: Der Klappentext des neuen Buches mit dem hübschen Buchumschlag klang vielversprechend – das Thema „Gewalt“ hat mich schon immer interessiert. Also Vorhang auf für das zweite Jugendbuch der amerikanischen Autorin…

Inhalt:

Francesca Pierson ist die Tochter des berühmten Sportkommentators Reid Pierson und lebt mit ihrer Familie, die noch aus ihrer Schwester Samantha und ihrer Mutter Krista besteht, in einem noblen Stadtviertel. Außerdem zählt noch ihr Stiefbruder Todd, der jedoch studiert und nicht mehr zu Hause lebt, zur Familie. Todd stammt aus Reid Piersons erster Ehe – seine frühere Frau ist bei einem mysteriösen Segelunfall, dessen genaue Umstände nie geklärt wurden, ums Leben gekommen.
Francesca, die insgesamt ein angepasstes Leben führt und von ihren Freunden meist Franky genannt wird, hat jedoch noch eine andere Seite in sich, die sie meist verborgen hält: Sie nennt sich selbst dann wegen ihrer Haarmähne und ihrer grünen Augen „Freaky Green Eyes“ – und Freaky ist im Gegensatz zu Francesca alles andere als angepasst. Es ist der Teil in Francesca, der mutig ist, sich nichts gefallen lässt und der Wahrheit auf den Grund geht.
Dieser Teil von Franky ist es auch, der bemerkt, dass zwischen ihren Eltern, die nach außen hin so eine perfekte Ehe führen, irgendetwas nicht stimmt. Es sind eher Kleinigkeiten, die Francesca zwar einerseits bemerkt (z.B. dass ihre Mutter manchmal blaue Flecken unter langärmligen Hemden und Schals versteckt), die sie jedoch nicht wahrhaben will – zumal ihre Mutter und ihr Vater nach wie vor gute Miene zum bösen Spiel machen.
Als Frankys Mutter schließlich immer öfter mehrere Tage nicht zu Hause ist, sondern sich stattdessen in die Ferienhütte der Familie zurückzieht, verdichten sich Frankys Vermutungen – doch nach wie vor verschließt sie davor die Augen. Bis Frankys Mutter eines Tages ganz verschwindet…

Bewertung:

Joyce Carol Oates zweites Buch hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen – und anders als bei „Unter Verdacht“ ist dies bei „Mit offenen Augen“ bis zum Buchende so geblieben bzw. hat sich sogar gesteigert. War es am Anfang des Buches eher der unauffällige, aber dichte Schreibstil, der mich faszinierte, so kam nach und nach das Rätsel in Frankys Familie hinzu – und ich wollte unbedingt wissen, was sich hinter der vordergründig makellosen Familienfassade verbarg. Joyce Carol Oates gelingt es meisterhaft, die Spannung – die einen wie ein Indianer auf leisen Sohlen verfolgt und immer näher kommt – aufzubauen. Wie Franky spürt man am Anfang des Buches nur, dass sich hinter den Piersons ein unbekanntes Geheimnis verbirgt, und man kommt wie Franky erst nach und nach bei wachsendem Unbehagen dahinter, was da eigentlich los ist. Das macht „Mit offenen Augen“ so authentisch – man erlebt die Geschichte quasi beim Lesen mit…

Fazit:

5 von 5 Punkten. Die Geschichte um Freaky Green Eyes ist kein reißerisches Buch, von dem man eine spannende Handlung erwarten darf. Die Spannung ist psychologisch subtil und nur etwas für Leser, die so etwas mögen. Das dürften tendenziell eher Mädchen (ab 14 Jahren) sein – zumal ja die Hauptfigur weiblich ist. Doch wer diese feine Form von psychologischer Spannung mag, wird mit einem Buch belohnt, das von subtiler zwischenmenschlicher Gewalt handelt und diese einfühlsam und erschreckend zugleich beschreibt. Darüber hinaus ist „Mit offenen Augen“ ein Buch, das dem Leser Mut machen will, der Wahrheit ins Auge zu sehen, auch wenn sie unangenehm und bedrohlich ist. Danke, Miss Oates!

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(Ulf Cronenberg, 27.02.2005)


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Kommentare (0)

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  3. Jenny

    Also, ich musste zu diesem Buch eine Literaturarbeit im Fach Deutsch verfassen. An manchen Stellen wurde man richtig aggressiv und doch total traurig.
    Ich finde dieses Buch gut – doch ich hab bis jetzt kein Buch gefunden, dass das Buch „Fragt mal Alice“ toppen kann. 🙂

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