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Buchbesprechung: Ron Koertge "Monsterwochen"

Cover KoertgeLesealter 14+(Carlsen-Verlag 2004, 143 Seiten)

„Monsterwochen“ ist zwar nicht das erste Buch des kalifornischen Autors Ron Koertge, das ins Deutsche übersetzt wurde, aber es ist das erste Buch von ihm, das ich gelesen habe. Dass das Thema Kino/Film in dem Buch eine wichtige Rolle spielt, dürfte der Buchumschlag schon deutlich machen… Ansonsten kann man sich unter dem Titel nicht allzu viel vorstellen – aber das lässt sich ändern. Einfach weiterlesen…

Inhalt:

Ben hat CP – wobei im ganzen Buch nicht erklärt ist, was das für eine Krankheit ist – aber gottseidank gibt es Lexika, wobei einem nur ein medizinisches Wörterbuch weiterhilft… Also: Ben hatte als Kind Kinderlähmung, weswegen einer seiner Arme verstummelt und seine eine Körperhälfte teilgelähmt ist, so dass er nur schlurfend gehen kann. Seine Mutter hat ihn vor mehreren Jahren verlassen – Bens Großmutter, die für ihren Enkel sorgt, sagt, dass Bens Mutter große psychische Probleme hatte und deswegen abgehauen ist. Seinen Vater kennt Ben gar nicht.
Eines Tages – es sind gerade die „Monsterwochen“ im Kino, es werden Filme wie „King Kong“ gezeigt – setzt sich Colleen im Kino neben ihn. Das ist Ben zwar gar nicht recht, denn Colleen ist ziemlich abgedreht, sie steht ständig unter Drogen – man zeigt sich also besser nicht mit ihr. Doch Colleen lässt nicht locker und bleibt sitzen. Für Ben ist das eine neue Erfahrung, denn eigentlich will niemand etwas mit ihm, dem Spasti, zu tun haben, und er ist inzwischen an seine Außenseiterrolle gewöhnt. Zwar verschläft Colleen den halben Film, doch quatscht sie hinterher mit Ben, und obwohl oder gerade weil Colleen kein Blatt vor den Mund nimmt und Ben schräg von der Seite anspricht, fühlt sich Ben das erste Mal im Leben von einer Gleichaltrigen ernst genommen. Nach und nach freunden sich Ben und Colleen an, auch wenn das eine komische Freundschaft bleibt; denn Ben fällt es schwer von seinem Selbstmitleid Abstand zu nehmen und Colleen steckt mit ihren ganzen Drogengeschichten und ihren „Drogenfreunden“ ständig in der Scheiße… (man verzeihe mir diese Fäkalsprache, aber das ist einfach passend)
Zugleich tritt eine weitere Person in Bens Leben: Marcie, eine neue Nachbarin im Alter von Bens Mutter, zeigt Ben eines Tages einen selbst gedrehten Dokumentarfilm über operierte Menschen mit fremden Herzen. Ben ist begeistert, was Marcie mit einer kleinen digitalen Videokamera und einem iMac (einem Computer) gemacht hat. Von Marcie kommt auch die Anregung, dass Ben doch auch einen Film über Jugendliche und Schule drehen könnte – die Ausrüstung hierfür (Videokamera und Computer) stellt sie ihm zur Verfügung. Ben zögert zunächst – zwar ist er ein großer Filmnarr, der ständig im Kino sitzt, jedoch traut er sich selbst wenig zu. Doch schließlich will er es nach vielem Zureden durch Marcie versuchen… Und was ist mit Colleen? Wie das weitergeht, ist unklar…

Bewertung:

„Monsterwochen“ hat mich von Anfang an gefesselt – und das ist bis zum Buchende so geblieben. Ron Koertge hat ein Jugendbuch geschrieben, das die Kunst vollbringt, viele Jugendthemen (Drogen, Liebe, Behinderung…) in eine Geschichte zu packen, ohne dass alles künstlich konstruiert und abgedroschen wirkt. Im Gegenteil: Man taucht in die Geschichte ab, ohne beim Lesen zu merken, wie kunstvoll das Buch zugleich angelegt ist. Das gilt vor allem für die Kino-Monsterwochen, die auf einer anderen Ebene immer wieder Benjamins Situation und Gefühle spiegeln, denn er fühlt sich wie ein Monster und Ausgestoßener. Hinzu kommt die treffsichere Sprache von Ron Koertge, der immer im richtigen Moment originelle sprachliche Bilder verwendet und seine Figuren dadurch tefflich charakterisiert.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Ron Koertge werde ich nicht aus den Augen verlieren – und ich hoffe, weitere Bücher von ihm finden den Weg ins Deutsche. „Monsterwochen“ ist ein im positiven Sinn knappes und prägnantes Buch, das man zwar schnell liest (nicht in Wochen, sondern in ein/zwei Tagen), das jedoch lange nachwirkt. Während ich diese Buchbesprechung schreibe, merke ich noch einmal, wie sehr mich so vieles, was in dem Buch beschrieben wird, beschäftigt. Koertges Buch ist somit keine ganz leichte Kost, sondern eher für Jugendliche (ab 14 Jahren) gedacht, die sich mit Themen auseinander setzen wollen und über das Leben nachdenken. Auf wen das zutrifft, der sollte unbedingt zugreifen und „Monsterwochen lesen!

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(Ulf Cronenberg, 09.04.2004)

Weitere Meinungen:

Neben der Handlung, die einfach, aber doch vielschichtig ist, lebt das Buch durch die Sprache, die nur so vor witzigen Wortwechseln, ja frechen Schlagabtäuschen sprüht. Dabei bleibt das Ganze völlig ungekünstelt, wirkt überhaupt nicht aufgesetzt. Ben ist ein liebenswürdiger Kerl, der trotz seiner Filmversessenheit sehr realistisch denkt und mit seiner eigenen Behinderung mit einer gehörigen Portion Selbstironie, aber ohne Selbmitleid oder Verbitterung umgeht. Auch wenn die Geschichte am Ende für Colleen keine wirklich guten Aussichten eröffnet, gibt es für Ben einen positiv-offenenen Ausgang.
„Monsterwochen“ ist eine absolut lesenswerte, schöne kleine Geschichte.

(Iris Henninger)

Lektüretipp für Lehrer!

Ein halbseitig gelähmter Junge und ein drogensüchtiges Mädchen lernen sich kennen und werden mit ihren unterschiedlichen Lebenswelten konfrontiert. Das kurze Buch ist sehr dicht gehalten und bietet viele Anregungen zum Thema Lebensentwürfe. Auch für Kinofans geeignet. Eher ab der 10. als ab der 9. Jahrgangsstufe.

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