(Dressler Verlag 2004, 215 Seiten)
Jerry Spinelli ist ein amerikanischer Jugendbuchautor, der sich in Deutschland bereits mit drei Büchern bekannt gemacht hat – vor allem sein Jugendbuch „East End, West End und dazwischen Maniac Magee“ hat es mir, als ich es gelesen habe, angetan. (Dafür am Rande hier eine dicke Lese-Empfehlung – leider habe ich für dieses Buch damals noch keine Buchbesprechungen geschrieben…)
Mit „Der Held aus der letzten Reihe“ greift Spinelli ein Thema wieder auf, das schon in seinem vorherigen Buch „Stargirl“ im Zentrum stand: Jugendliche, die mit ihrem Verhalten auffallen und Außenseiter sind – und das macht Spinelli immer auf eine ganz besondere Art und Weise (am Ende der Besprechung weiß man genauer, was ich meine)…
Inhalt:
Donald Zinkoff, den alle nur „Zinkoff“ nennen, hat nicht nur einen seltsamen Namen, er fällt im Vergleich zu anderen Kindern und Jugendlichen irgendwie auch aus der Reihe. Das wird u.a. deutlich, als Zinkoff in die Schule kommt: Seine Schrift ist die krakeligste, die seine Lehrerin bisher gesehen hat, er ist immer als Erster früh vor Unterrichtsbeginn in der Schule, während des Unterrichts bekommt Zinkoff Lachanfälle, die er nicht zu bändigen weiß, beim Sport ist er immer der letzte und jeder Ball flutscht ihm zwischen den Händen hindurch. Als er bei einem wichtigen schulischen Sport-Wettkampf im Staffellauf den großen Vorsprung seines Vorläufers, des klassenbesten Läufers, verliert, kommt, was kommen muss: Zinkoff wird von den anderen als „Versager“ beschimpft.
Das Komische an Zinkoff ist jedoch, dass er die ständigen Beschimpfungen und Beleidigungen gar nicht so wahrnimmt. Er lächelt seine Mitschüler weiterhin an, tut so, als sei nichts geschehen, will weiterhin bei den Ballspielen mitmachen, lacht den anderen ins Gesicht etc. Kurz gesagt: Er ist ein Junge, der trotz seiner vielen Unzulänglichkeiten, die die anderen ihm ständig aufs Butterbrot schmieren, ein unerschütterliches Selbstvertrauen hat. Und das macht ihn zu einem ungewöhnlichen Helden, einem Helden aus der letzten Reihe.
Im Buch begleitet der Leser Zinkoff über die ersten sechs Schuljahr, bekommt mit, was ihm alles widerfährt (an glücklichen, aber auch schmählichen Erlebnissen) und in welcher Familie er lebt. Besonders angetan hat es ihm die kleine eineinhalbjährige Claudia, die von ihrer Mutter an eine Leine gebunden vor dem Haus spielt. Doch eines Tages im Winter bei Schnee und Eis ist Claudia verschwunden und wird von ihrer Mutter mit Unterstützung von Polizei und Rettungswagen gesucht. Zinkoff, der sich große Sorgen um Claudia macht, begibt sich bei dem unwirtlichen Wetter ebenfalls auf die Suche nach seiner kleinen Freundin und merkt dabei gar nicht, dass seine Eltern ihn selbst bald als vermisst melden, weil sie ihrerseits nicht wissen, wo ihr Sohn ist.
Bewertung:
„Der Held aus der letzten Reihe“ ist eine wirklich seltsame Geschichte, was nicht abwertend gemeint ist. Das beginnt damit, dass dem Leser der Held der Geschichte als „Zinkoff“ vorgestellt wird und in der ganzen Geschichte fast nur mit diesem Namen genannt wird. Auch die Erzählhaltung des Buches ist ungewöhnlich: Denn alles, was Zinkoff passiert, wird in der Gegenwartsform (also im Präsens) und in fast berichtähnlicher Form erzählt. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen… Am ungewöhnlichsten ist jedoch die Figur Zinkoffs selbst: ein Junge, der so vielen Anfeindungen ausgesetzt ist und sie selbst nicht wahrzunehmen scheint – man möchte Donald (ihr erinnert euch – so heißt Zinkoff mit Vornamen!?) zurufen: „Mensch, lass dich nicht dauern verarschen…“ Doch das macht Zinkoff zugleich so interessant und außergewöhlich: ein Junge, der streng genommen wohl gemobbt wird, dies aber aus einer großen Naivität heraus an sich abprallen lässt und dadurch unangreifbar wird. Je mehr ich mich beim Schreiben dieser Buchbesprechung mit der Figur Zinkoffs und dem Buchinhalt auseinander setze (ich habe mich übrigens theoretisch immer wieder des Themas „Mobbing in der Schule“ angenommen – wer das nachlesen will, kann das hier tun), desto mehr beschäftigen mich dieser Junge und sein Verhalten… Und das ist ein dickes Lob für ein Buch!
Fazit:
5 von 5 Punkten. Als ich „Der Held aus der letzten Reihe“ aus der Hand gelegt habe, wollte ich dem Buch viereinhalb Punkte geben, denn es hat gedauert, bis ich mich in das Buch hineingelesen hatte. Außerdem war mir lange nicht so ganz klar, was Jerry Spinelli da eigentlich erzählen und vermitteln will. Während des Schreibens dieser Rezension ist mir dann jedoch bewusst geworden, dass Spinellis Buch ein ganz besonderer Schatz ist, der so ganz anders funktioniert als viele andere Jugendbücher, nämlich erst im Nachhinein.
Man kann dem Buch nur viele Leser wünschen – Väter und Mütter, die ihren Kindern täglich etwas vorlesen (denn dafür scheint mir Spinellis Buch besonders geeignet, und zwar für Kinder ab 8 oder 9 Jahren), aber auch Kinder und Jugendliche selbst ab 10/11 Jahren. Und: Ich wünsche dem Buch Lehrer, die das Buch neben Kirsten Boies „Chicago, nicht hier“ für ein Projekt zum Thema Mobbing als Lektüre einsetzen. Mit diesen zwei sehr unteschiedlichen Zugängen zum Thema Mobbing lassen sich sicherlich angeregte Diskussionen führen…
(Ulf Cronenberg, 16.03.2004)
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Ich hätte so gerne die Adresse von Jerry Spinelli, denn meine Schüler lesen gerade sein Buch „Crash-Das Leben ist Fußball“ und wollen ihm gerne schreiben. Können Sie mir da weiterhelfen?
LG, Esther Schmidt-Beck
Jerry Spinelli hat eine eigene Homepage: http://www.jerryspinelli.com/ – und dort gibt es auch eine Kontaktseite, wo man sich per E-Mail an den Autor (bzw. an seinen Webmaster) wenden kann: http://www.jerryspinelli.com/newbery_050.htm. Darüber sollte der Kontakt möglich sein. Viel Erfolg!
Gruß, Ulf
Ich bin gerade dabei, das Buch mit der Klasse zu lesen. Es ist ganz große Klasse!
: )
Cool