(Carlsen-Verlag 2002, 216 Seiten – Band 2 der „Erdsee“-Trilogie)
„Der Magier der Erdsee“ als erster Band der Erdseetrilogie wurde in Jugendbuchtipps.de ja schon besprochen – und es sei auch dringend empfohlen, erst Band 1 und dann Band 2 zu lesen, denn man versteht „Die Gräber von Atuan“ nur so richtig, wenn man die Vorgeschichte kennt. Wer sich hier also aus Versehen herverirrt hat, sollte die Seite schließen und sich erst die Besprechung zu Band 1 anschauen. Dort steht auch etwas über die Geschichte der Erdsee-Trilogie – denn das sind keine neuen Bücher. „Die Gräber von Atuan“ wurde auf Englisch erstmals 1971 und auf deutsch 1979 veröffentlicht… – aber gute Literatur wird ja bekanntlich nicht alt.
Inhalt:
Die Geschichte beginnt weit weg von Ged, der Hauptperson des Erdsee-Zyklus, auf einer Insel der Erdsee. Tenar, ein 5-jähriges Mädchen wird von Priesterinnen aus ihrem Elternhaus abgeholt und nach Atuan in den Tempelbezirk gebracht; denn Tenar ist die Wiedergeburt der Hohepriesterin von Atuan.
In der Anlage um die Gräber von Atuan wird Tenar, die dort ihren alten Namen verliert und nur noch Arha (die Verzehrte) genannt wird, von den Priesterinnen Thar und Kossil unterrichtet, um in späteren Jahren ihrer Aufgabe als Hohepriesterin gerecht werden zu können. Außer Frauen dürfen in Atuan nur Eunuchen leben, Männern ist der Zugang zu der Anlage verboten. Und nur Arha als Hohepriesterin, darf in die unterirdischen Gräber von Atuan mit ihrem undurchdringlichen Labyrinth aus Gängen hinabsteigen, denn dort „leben“ die Namenlosen (eine Art Götter/Geister, die im Tempelbezirk von Atuan verehrt werden).
Arha ist wenig glücklich in Atuan, richtige Freundinnen hat sie nicht, nur der Eunuch Manan ist ihr Vertrauter, während es mit Thar und vor allem Kossil, Arhas Lehrerinnen, immer wieder Streit und unterschwellige Spannungen gibt. Die einzige Freude ist es für Arha, das unterirdische Labyrinth nach und nach zu erforschen – eine schwere Aufgabe, denn in den Gräbern, die viele Schätze bergen, darf kein Licht gemacht werden und die Gefahr, sich zu verirren, ist recht groß.
Doch eines Tages passiert etwas Seltsames: Als Arha durch die Gänge des Labyrinths streift, spürt sie, dass sich jemand anderes in den unterirdischen Kammern herumtreibt: ein unbekannter Mann. Arha ist entsetzt und beschließt, den Unbekannten im Labyrinth einzusperren, indem sie den einzigen Zugang zum Labyrinth von außen verschließt. Der Eindringling soll sich in den Gängen verirren und dort verdursten und verhungern.
Durch Gucklöcher von oben verfolgt sie das Schicksal des Mannes und stellt schon bald fest, dass es sich bei dem Unbekannten um einen Zauberer handeln muss; denn er führt ein Licht an seinem Stab mit sich. Arha weiß nicht so recht, was sie tun soll, wagt es dann aber doch, in den Gängen zu dem Zauberer zu gehen und mit ihm zu sprechen. Zwischen Ged, denn er ist der eingeschlossene Zauberer (das sei verraten), und Arha beginnt ein Ringen darum, wie es weitergehen soll – Arha weiß nicht, ob sie den Zauberer sterben oder am Leben lassen soll, und Ged hat schließlich auch seine Gründe, warum er sich in die Gräber von Atuan hinabgewagt hat…
Bewertung:
Die Zusammenfassung des Inhalts klingt vielleicht eher etwas spröde und langweilig, aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Die Gräber von Atuan“ ein tolles Buch ist, das auf seine eigene Art auch spannend ist. Es ist weniger eine Form von Action mit Kämpfen und Verfolgungen (wie in Band 1), die hier ihre Spannung entfaltet; nein, die Spannung wird eher zart und subtil aufgebaut. Man ahnt von Anfang an, dass irgendetwas Unerwartetes in das eintönige und einsame Leben von Tenar/Arha kommen muss.
„Die Gräber von Atuan“ ist im Vergleich zum Band 1 des Erdsee-Zyklus („Der Magier der Erdsee“) eine ruhigere Geschichte, die aber runder und weniger hektisch wirkt. Und mit Tenar/Arha bekommt der Leser neben Ged eine weitere Hauptfigur, die man (zumindest je weiter man im Buch fortschreitet) lieben lernt…
Fazit:
5 von 5 Punkten. Ein Buch für Leser ab 12 Jahren, um an regnerisch trüben November-Tagen wie heute in die Erdsee-Inselwelt entführt zu werden. „Die Gräber von Atuan“ entfaltet eine Magie, der man sich – einmal mit dem Lesen begonnen -, nicht entziehen kann.
(Ulf Cronenberg, 02.11.2003)
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